waren Sie schockiert, als Sie in den Nachrichten gehört oder gelesen haben, dass die Autoindustrie Tierversuche zur Ermittlung von Abgasauswirkungen in Auftrag gegeben hat? Die Welle der Empörung ist jedenfalls mächtig, von der EU, der Bundesregierung über die Menschen auf der Straße oder im Büro bis hin zu den Firmenlenkern selbst. Man ist sich offenbar einig: So etwas ist verwerflich. Ich betone ausdrücklich, dass ich ebenfalls der Meinung bin, dass hier der Zweck auf keinen Fall die Mittel heiligen darf und dass so etwas nicht hätte passieren dürfen.
Vielmehr stellt sich doch die Frage, wer hat wann davon gewusst? Hier sind wir wieder beim gleichen Dilemma, das sich auch beim „Diesel-Gate“ aufgetan hat. Alle sind entsetzt und keiner will etwas geahnt haben. Das ist jetzt genauso (un)glaubwürdig wie damals. Eine weitere erstaunliche Parallele ist indes, dass wieder VW als erstes am Pranger steht. Dabei wurde die Studie, in deren Rahmen es zu Tierversuchen mit Affen kam, von der EUGT („Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor") beim US-amerikanischen „Lovelace Respiratory Research Institute“ in Auftrag gegeben. Und die EUGT ist, das muss man wissen, eine von Volkswagen, Daimler und BMW finanzierte Initiative.
Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel
Ich will mich hier gewiss nicht als Moralapostel aufspielen, das machen schon genügend Politiker, Manager und namhafte Menschen, die ihre Empörung und ihr Mitleid mit den armen Tieren öffentlich kundtun. Auch das entbehrt nicht einer gewissen Scheinheiligkeit. Makaber, dass man es hier offenbar mit den „drei Affen“ zu tun hat. Schließlich will keiner etwas gesehen und gehört haben…
Klar, wir repräsentieren die Seite der Wirtschaft, das heißt aber nicht zwangsläufig, dass man alles tolerieren muss, was getan wird, um die Rendite zu erhöhen. Genauso klar ist aber auch, dass man jetzt nicht anfangen muss, auf einzelne Unternehmen einzuhacken. Denn auch dieser Skandal dürfte seine Kreise ziehen und zwar weit über die deutsche Autoindustrie hinaus. Auch die Kosmetikindustrie, die Pharmabranche, der Nahrungsmittelsektor sowie dutzende andere Industriezweige kommen nach wie vor nicht ohne Tierversuche aus. Und diese sind nicht weniger grausam.
VW-Chef verurteilt die Dieseltests an den Tieren scharf
VW-Chef Matthias Müller hat die umstrittenen Dieseltests mit den Affen in mehreren Medien auf das Schärfste verurteilt. Das darf man dem Manager als Mensch einfach einmal abnehmen. Vielmehr müssen wir als Anleger uns grundsätzlich damit auseinandersetzen, was wir selbst bereit sind zu tolerieren. Und das gilt dann für den Alltag genauso wie für die Investments an der Börse. Mit der Frage der Ethik werden wir grundsätzlich überall im Leben konfrontiert und müssen uns entscheiden, Haltungen anzunehmen. Das geht auch Unternehmern so.
Mit der in den USA in Auftrag gegebenen Studie wollte Volkswagen bestätigen lassen, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen habe. Dazu wurden die Affen gezielt Schadstoffen ausgesetzt. Nach Bekanntwerden dieser Methoden wollen die Wolfsburger nun künftig auf solche umstrittenen Tierversuche verzichten, wie der VW-Generalbevollmächtigte Thomas Steg gegenüber der BILD-Zeitung äußerte: „Wir wollen Tierversuche für die Zukunft absolut ausschließen. Damit so etwas nicht noch einmal passiert." Der Konzern lasse weiterhin prüfen, was nach den Versuchen mit den Affen geschehen sei, in welchem Zustand sie übergeben wurden und wie es ihnen heute gehe. Schöne Worte, vielleicht auch ein Anfang zum Umdenken, dann aber bitte über VW hinaus.
Eine Frage der Haltung – auch für die Politik
Letztendlich wird auch hier die Politik gefragt sein. Fragen der Haltung und der Verantwortung müssen im gesamtgesellschaftlichen Kontext geklärt werden. Hier sind eindeutige Stellungnahmen gefordert, auch wenn diese unbequem sein mögen. Es kann nicht darum gehen, einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen, sondern darum, Werte zu erhalten. Deshalb sollte jeder, der mit dem Finger auf VW, Daimler und Co. zeigt, auch in sich gehen und sich fragen, wo man selbst schon bereit war, über manches hinwegzusehen, um Komfort, Erfolg oder Bequemlichkeit zu erlangen.
Dass Sie mich nicht falsch verstehen, natürlich sind die Tierversuche in keiner Form zu rechtfertigen. Aber es geht grundsätzlich darum, Unternehmensethik zu wahren. Dazu muss man auch Fehler einräumen und im Gegenzug die Chance bekommen, diese wieder gut zu machen. Denn das Vertrauen in die Nachhaltigkeit von soliden Unternehmen bildet die Grundlage für eine gesunde Wirtschaft und gute Investments.
Mit diesen Anregungen zum Nachdenken wünsche ich Ihnen einen schönen Tag. Vielleicht höre ich auch die eine oder andere Meinung von Ihnen zum Thema. Ich freue mich darauf.