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Ausgabe vom 15. November 2017
- Bau- und Immobilienwerte unter sich: So zahlt sich der Bauboom aus
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So zahlt sich der Bauboom aus
von Martina Bisdorf
(Chefredakteurin BÖRSEN-SPIEGELdaily)
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wie angekündigt, schauen wir heute einmal genauer in die zweite Reihe. Will heißen, wir nehmen uns das Zahlenwerk dreier Werte aus dem MDAX bzw. SDAX – den Aktien-Indizes für mittlere und kleinere Werte – vor. Interessanterweise haben gestern gleich drei Werte aus der Immobilien- bzw. Baubranche berichtet. Was ist dran, am Bauboom? Und wie konnten die entsprechenden Unternehmen möglicherweise davon profitieren?
Patrizia Immobilien, Dt. Wohnen und der ehemals reine Baukonzern, der inzwischen zum Ingenieurdienstleister mutiert ist, Bilfinger geben einen Einblick in Branche. Beginnen wir mit dem Immobilienverwalter Patrizia, der für den Ankauf, Verkauf sowie für die Wertoptimierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien deutschlandweit sowie über seine Tochtergesellschaften in Teilen Europas bekannt ist. Außer den Zahlen sorgten die Augsburger mit einer Übernahme für einen weiteren Paukenschlag.
Patrizia Immobilien: Mit kräftigen Zukäufen auf Wachstumskurs
Bei der gestrigen Zahlenpräsentation zum dritten Quartal kündigten Konzernsprecher von Patrizia Immobilien (SDAX) an, im laufenden Jahr ein besser als erwartetes operatives Ergebnis zu erzielen. Bisher rechnete man mit einem operativen Gewinn zwischen 60 Mio. und 75 Mio. Euro. Jetzt sollen es mehr als 75 Mio. Euro werden. „Unsere starke Investmentexpertise hat in diesem Jahr zu deutlich höheren leistungsabhängigen Gebühren geführt, weshalb wir unsere Prognose für das Gesamtgeschäftsjahr entsprechend erhöhen konnten”, so Finanzvorstand Karim Bohn. Für das erste Dreivierteljahr 2017 weist das Unternehmen einen operativen Gewinnanstieg um 6,1% auf 46,6 Mio. Euro aus. Bei den Gebühreneinnahmen gab es einen Anstieg von 122,4 Mio. auf 128,8 Mio. Euro. Für das verwaltete Immobilienvermögen wird ein Anstieg um 1,9 Mrd. auf 20,5 Mrd. Euro berichtet.
Und Patrizia sieht sich weiter auf Wachstumskurs. Schneller als erwartet kündigte der Konzern gestern an, von IVG Immobilien die Triuva Kapitalverwaltungsgesellschaft übernommen zu haben. Über die konkrete Höhe des Kaufpreises, der den inneren Wert der Triuva angemessen abbilden soll, haben die Parteien allerdings Stillschweigen vereinbart. Die IVG Immobilien hatte den Verkaufsprozess im Mai dieses Jahres gestartet. Rund 60 deutsche und internationale Investoren hatten daraufhin ihr Interesse bekundet. Triuva ist einer der führenden Anbieter und Manager von strukturierten Immobilienprodukten für institutionelle Investoren in Deutschland mit einem verwalteten Vermögen von aktuell rund 9,8 Mrd. Euro. 200 Mitarbeiter an 15 Standorten in ganz Europa betreuen dabei rund 80 Investoren und 270 Immobilien, die sich auf etwa 40 Fonds verteilen. Schwerpunkt sind gewerbliche Immobilien im Büro-, Einzelhandels- und Logistiksektor in Europa. Durch den Kauf steige das von Patrizia verwaltete Immobilienvermögen laut eigenen Angaben um rund 50% auf etwa 30 Mrd. Euro. Damit rückt Patrizia in die Top Ten der größten europäischen Investmentmanager auf. Schauen wir uns an, wie sich dagegen die im MDAX notierte Dt. Wohnen schlägt.
Dt. Wohnen: Starker Ergebniszuwachs dank Pflegebereich
Die Berliner Wohnungsgesellschaft besitzt und verwaltet derzeit ca. 160.000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten in Deutschland, die meisten davon in der Hauptstadt. Dt. Wohnen hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres dank anhaltend hoher Nachfrage nach Wohnraum in Ballungszentren ordentlich verdient. Von Januar bis September steigerte sich das operative Ergebnis - gemessen an der für die Branche wichtigen Kerngröße Funds from Operations I (FFO I) - um 8,9% auf 330 Mio. Euro. Für das Gesamtjahr wird nun weiterhin ein FFO I von mindestens 425 Mio. Euro anvisiert. „Wir rechnen damit, dass wir etwas über den 425 Mio. Euro herauskommen", so Finanzvorstand Philip Grosse.
Zum Portfolio gehören von Dt. Wohnen gehören auch Pflegeheime und Betreutes Wohnen. Dieses noch relativ kleine Geschäftsfeld hat erheblich zum Ergebniszuwachs beigetragen, vor allem dank der jüngsten Zukäufe. Die 51 Pflegeimmobilien mit rund 6.700 Plätzen seien zu 98% ausgelastet, teilte der Konzern mit. Unter dem Strich blieben in den ersten neun Monaten 706 Mio. Euro hängen und damit fast 7% mehr als im Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Neben einem besseren Betriebsergebnis (EBITA) verhalf auch eine Aufwertung der Immobilien zu den guten Ergebnissen. Last but not least, der Blick auf Bilfinger, der zwar kein reiner Baukonzern mehr ist, aber immer noch mit der Baubranche in Zusammenhang steht.
Bilfinger: Industriedienstleister auf dem Weg aus der Krise?
Die Kosten für den Konzernumbau haben den ohnehin schon kriselnden Industriedienstleister Bilfinger im dritten Quartal weiter in die Verlustzone gedrückt. Unter dem Strich kam ein Fehlbetrag von 21 Mio. Euro heraus, wie der SDAX-Konzern am gestrigen Dienstag mitteilte. Im Vorjahr hatten die Mannheimer noch einen Gewinn von 457 Mio. Euro ausgewiesen. Darin enthalten war allerdings ein Gewinn aus dem Verkauf der Bau- und Gebäudedienstleistungen in Höhe von 539 Mio. Euro. Im eigentlichen Geschäft lief es für Bilfinger besser. Die Leistung sank zwar von Juli bis September im Jahresvergleich um 2% auf 998 Mio. Euro, bereinigt um Unternehmensverkäufe und Währungseffekte legte sie allerdings erstmals nach 13 Quartalen wieder zu. Der Auftragseingang wuchs aufgrund von Großaufträgen und Nachholeffekten bei Rahmenverträgen um 11%. Der operative Gewinn (EBITA) kam mit 21 Mio. Euro auf den Vorjahreswert.
Das sieht im Großen und Ganzen, vor allem im Vergleich zu den Vorjahren, ganz gut aus. Demnach bestätigte Firmenlenker Tom Blades auch gerne die Gewinnprognose für das Gesamtjahr. Er stellte für 2017 weiter ein ausgeglichenes operatives Ergebnis in Aussicht. 2016 lag dieses bei 15 Mio. Euro. Allerdings erwartet er nun einen weniger starken Rückgang bei der Leistung. Diese sollte laut seinen Einschätzungen um weniger als 5% sinken. Im Vorfeld der Zahlen war er noch von einem Rückgang im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich ausgegangen. Durch Spartenverkäufe, umfangreiche Sparmaßnahmen sowie eine neue Strategie hatte Blades den Konzern zuletzt umfassend umgekrempelt. „Mit der Stabilisierung des Unternehmens sind wir auf einem guten Weg", so Blades. Mit den geplanten Verkäufen verlustreicher Randbereiche, die vornehmlich aus der Kraftwerkssparte stammen, kommt Bilfinger weiter voran. Von den insgesamt 13 „Problemtöchtern“ seien bis Ende des dritten Quartals acht verkauft worden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich der Industrie- und Ingenieurdienstleister langsam aus der Krise berappelt. Wie werden das weiterhin für Sie beobachten.
Mit diesen Eindrücken aus der Bau- und Immobilienbranche verabschiede ich mich für heute von Ihnen und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Herzliche Grüße
Ihre
Martina Bisdorf
(Chefredakteurin BÖRSEN-SPIEGELdaily)
PS: Lesen Sie morgen, warum die Jahresendrally aktuell etwas ins Stocken geraten zu sein scheint und wie es weiter geht.
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