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Ausgabe vom 12. September 2017
- IAA – Dabei sein ist nicht mehr alles
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IAA – Dabei sein ist nicht mehr alles
von Martina Bisdorf
(Chefredakteurin BÖRSEN-SPIEGELdaily)
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
heute ist der erste Pressetag der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt. Das Event zur Präsentation der Neuheiten in der Autowelt steigt alle zwei Jahre und hat (bisher) immer großen Anklang gefunden – sowohl bei den Ausstellern als auch bei den Besuchern. Doch dieses Mal scheint alles anders. Dabeisein ist offenbar nicht mehr alles…
Die Zeichen stehen auf Wandel
Die Unlust der Autofahrer bekommen die Fahrzeughersteller offenbar zu spüren. Da ist es für beide Seiten verständlich, dass eine Automesse nicht mehr das Zugpferd ist, das es bislang eigentlich immer war. Den Verbrauchern den Mund auf neue Modelle wässrig zu machen, war vor Manipulationsaffären, Kartellvorwürfen und Abgasskandalen einfacher. Kein Wunder, dass die Menschen gerade jetzt verunsichert sind.
Der Wahlkampf tut sein Übriges dazu. Die einen wollen den Diesel gänzlich vom Markt haben, die anderen beschwören, man brauche ihn, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Wie geht es nach der Wahl für uns Autofahrer weiter? So mancher stellt aus gutem Grund die Anschaffung eines Neuwagens noch zurück, bis – hoffentlich bald – mehr Klarheit herrscht. Fakt ist, dass das Image der Autoindustrie insgesamt angekratzt ist. So verwundert es ebenfalls nicht, dass etliche namhafte Hersteller schon gar keine Lust mehr haben, sich auf der weltgrößten Automesse zu präsentieren.
Das Image der Autoindustrie ist angekratzt
So wird ein gutes Dutzend bekannter Automarken in Frankfurt erst gar nicht zu sehen sein. Unter anderem haben Volvo, Tesla, Peugeot, Nissan und Fiat ihre Teilnahme abgesagt. Der deutsche „Auto-Papst“ Ferdinand Dudenhöffer moniert indes: „Das Wichtigste, das es derzeit zu kaufen gibt, das Model 3 von Tesla, wird nicht in Frankfurt gezeigt.“ Damit spricht der Experte vom Center Automotive Research (CAR-Institut) an der Universität Duisburg-Essen ein echtes Problem der diesjährigen IAA an. Die Zahl der Aussteller minimiert sich seit 2015 drastisch. Das einst wichtigste Event der Autobranche scheint an Bedeutung zu verlieren.
Außer der momentanen „Autounlust“ bietet die Veranstaltung offenbar auch nicht mehr den richtigen Rahmen für die internationalen Autohersteller. Andererseits müssen sie in Anbetracht schwindender Umsätze auch sparen. Laut VDA-Preisliste kostet ein Quadratmeter Ausstellungsfläche dieses Jahr 166 Euro. Das bedeutet beispielsweise für die rund 12.000 Quadratmeter große Halle 11 von BMW ca. 2 Mio. Euro Miete – ohne Messestand und Hostessen.
Neue Möglichkeiten der Produktpräsentation gewinnen an Bedeutung
Konzerne nutzen außerdem vermehrt neue Möglichkeiten der Präsentation: So sind digitale Kampagnen oder hauseigene Veranstaltungen individueller gestaltbar und wesentlich preiswerter. Tesla begründete seine Abwesenheit lapidar mit den Worten, man sei kein traditioneller Fahrzeugbauer und nicht auf die Veranstaltungen der Branche ausgerichtet. Eher kritisch kamen die Absagen aus Frankreich rüber. Die neue Opel-Mutter Peugeot ließ ausrichten, man wolle sich auf Veranstaltungen konzentrieren, bei denen die Kunden die Autos tatsächlich erleben können. Auch Citroën-Nobeltochter DS fährt in Frankfurt nicht vor.
Andere Hersteller zeigen ihre Neuheiten nur auf einer einzigen Messe pro Kontinent, und das war im Fall von Mitsubishi und Volvo in diesem Frühjahr der ebenfalls sehr hoch angesehene Genfer Autosalon in der Schweiz. Wieder andere Autobauer, wie etwa Nissan, verlagern ihre Aktivitäten zunehmend auf Elektronikmessen wie die CES in Las Vegas oder die CeBit in Hannover. Bei der Entwicklung hin zum Auto als Hightech-Vehikel, bei dem die Themen Elektrifizierung, Digitalisierung, Autonomes Fahren sowie Künstliche Intelligenz immer mehr Raum einnehmen, ist diese Tendenz durchaus nachvollziehbar.
Köpfchen statt PS
Schließlich wollen die Kunden clever und smart fahren, wenig tanken, multimedial vernetzt sein, um während der Fahrt arbeiten zu können, etc. Der reine Fahrspaß ist schon lange kein Argument mehr für den Autokauf. Die Branche befindet sich tatsächlich in einem tiefgreifenden Umbruch. Dem wird natürlich auch in Sachen Produktpräsentation Rechnung getragen. Und auf einer Elektronikmesse kann man sich nicht nur einen modernen Anstrich geben, sondern sich dort auch besser mit Elektronik-Experten vernetzen und austauschen.
Vermissen werden die wahren Auto-Fans, die es ja auch noch gibt, in der Mainmetropole unter anderem auch die Nobel-Klassiker Aston-Martin und Rolls-Royce sowie die GM-Marken Chevrolet und Cadillac. „Unentschuldigt“ fehlen alle Fiat-Chrysler-Marken, also auch Alfa Romeo, Lancia, Abarth und Jeep. Hier vermuten Experten allerdings Kostengründe.
China springt in die Lücke
Zuwachs kommt dieses Jahr vom größten Absatzmarkt der Welt, nämlich aus China. So können Messebesucher den hierzulande eher unbekannten Autohersteller Chery sowie die neue Nobelmarke Wey von Great Wall kennenlernen. Wir müssen uns eben umstellen, Gewohntes wird weichen, Neues wird kommen. Das gilt sicher nicht nur – aber eben in besonderem Maß – für die Autobranche.
Für Ferdinand Dudenhöffer sind die Absagen der etablierten Hersteller und der Vorstoß der Newcomer aus dem Reich der Mitte keine Überraschung. Er hatte bereits im April geäußert, die wichtigste Automesse der Welt finde in Shanghai statt.
Falls Sie dennoch „Autolust“ verspüren oder einfach einmal sehen wollen, was es Neues gibt am Markt, vor allem in Sachen alternative Antriebe und „Connected Cars“, dann finden Sie HIER alle wichtigen Infos zur IAA, die ab Donnerstag ihre Pforten für das breite Publikum öffnen wird. Mit diesen Aussichten zum Wandel in der Automobilindustrie wünsche ich Ihnen einen schönen Tag – und, wer weiß, vielleicht einen interessanten Besuch der IAA.
Herzliche Grüße
Ihre
Martina Bisdorf
(Chefredakteurin BÖRSEN-SPIEGELdaily)
PS: Heute Abend lohnt der Blick nach Übersee: Um 19:00 Uhr MEZ lädt Apple in seine nagelneue Hauptverwaltung im kalifornischen Silicon Valley ein. Ein bedeutender Tag für den Kultkonzern: Anlässlich des zehnten Geburtstags des iPhones enthüllt der Smartphone-Pionier die neuen Versionen seines Kultprodukts. Spekulationen zufolge will Apple diesmal gleich drei neue iPhones vorstellen. Anleger und Apple-Fans erhoffen sich eine iPhone-Generation mit den größten Neuerungen seit Jahren.
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