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Ausgabe vom 13. Juli 2016
Das Rennen läuft -
Zukunft des Fahrens liegt in Digitalisierung und E-Mobilität
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Das Rennen läuft -
Zukunft des Fahrens liegt in Digitalisierung und E-Mobilität
von Martina Bisdorf
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL Like Follow
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir alle müssen uns damit abfinden, dass das Zeitalter der Digitalisierung längst begonnen hat. Wir sind schon mittendrin, ob wir wollen oder nicht. Was den einen leicht fällt und spielerisch Spaß macht (ich sage nur: Pokémon Go!), das müssen sich die anderen hart erarbeiten. Fakt ist aber, dass wir uns weder an der Arbeit noch im privaten Bereich dem Einzug der Computertechnik entziehen können.
Besonders in der Automobilbranche erleben wir die Verschmelzung von Industrie und Privatbereich drastisch. Sowohl in der Fertigung der Automobilindustrie als auch beim Fahren selbst ist die Digitalisierung bereits Wirklichkeit geworden. Wer heute einen Neuwagen kauft, der muss erst einmal eine gründliche Einweisung bekommen, um mit dem Neuerwerb einigermaßen sachgemäß umgehen zu können.
Automobilbranche im Umbruch – Herausforderungen bieten Chancen
Die anstehenden Veränderungen in der Mobilität sind Grund genug, die Autobranche einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Digitalisierung und E-Mobilität verändern den Sektor umfassend und etablierte Hersteller müssen sich den neuen Herausforderungen stellen, um auch künftig mit an Bord zu bleiben.
Nehmen wir zum Beispiel Volkswagen. Der Abgasskandal hat den Konzern in die tiefste Krise seiner Geschichte gestürzt. Der Börsenwert von Europas größtem Autohersteller schmolz nach Bekanntwerden des „Dieselgates“ zeitweise um fast 40 Mrd. Euro. Die Affäre um überhöhte Schadstoffwerte betrifft aber auch etliche andere Hersteller, wie Nachforschungen ans Licht brachten. Deshalb riefen auch Audi, Mercedes, Opel, Porsche und weitere Hersteller freiwillig Hunderttausende Fahrzeuge zurück.
Der „gute alte" Diesel hat bald ausgedient
In Deutschland wurden im ersten Halbjahr zwar so viele Diesel-Pkw wie nie zuvor neu zugelassen, der Marktanteil ist jedoch rückläufig. Bis 2030 soll der Anteil laut Marktforschungsstudien auf etwa 9% schrumpfen. Für Europas Autokonzerne bedeutet das einen schweren Schlag. Haben sie doch Jahrzehntelang mit enormem Aufwand versucht, den „Traktormotor“ kultivierter und sauberer zu machen. Aber man kann den Abgasskandal auch als riesige Chance für die gesamte Automobilbranche sehen. Denn die Nachfrage nach Mobilität wird weiter steigen – trotz aller Skandale.
Auch der Brexit tut dem keinen Abbruch. Nach Aussagen des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ist trotz des geplanten Austritts Großbritanniens aus der EU im nächsten Jahr ein weltweiter Verkaufsrekord von 81,9 Mio. Pkw und damit ein Plus von über 2% realistisch. Langfristig zeigt der Trend allemal nach oben. Der globale Automarkt erreicht bis 2030 ein Verkaufsvolumen von 6,7 Bio. Dollar, schätzt etwa die Unternehmensberatung McKinsey. Derzeit sind es 3,5 Bio. Dollar. Von diesem gewaltigen Potenzial werden wohl vor allem diejenigen Hersteller die größten Anteile einfahren, die sich bei den Themen Mobilität, Digitalisierung und alternative Antriebe technologisch am weitesten nach vorn bewegen können.
Das Rennen um die automobile Zukunft startet nach 130 Jahren neu
Tatsächlich ist das Rennen um die ersten Plätze schon voll im Gange. Rund 130 Jahre nach Erfindung des Automobils müssen sich die Autohersteller neu positionieren. So wird das Thema Elektroantrieb wohl eines der gewichtigsten sein. Im Jahr 2030 sollen weltweit 79 Mio. Elektroautos verkauft werden, prognostiziert das CAR-Center Duisburg - das wären etwa zwei Drittel des gesamten globalen Automarkts. Im letzten Jahr stieg der Absatz der Stromer bereits um 60% auf über 460.000 Fahrzeuge.
Dass Elektroautos bei den Kunden ankommen, bewies allen voran Tesla Motors. Die Amerikaner gelten als Pionier der Branche. Lange belächelt, verkauft das Team um CEO Elon Musk inzwischen in den USA und Westeuropa mehr Oberklasse-Autos als Weltmarktführer Daimler! Den Sprung zum Massenhersteller will Musk mit dem Model 3 schaffen. Das kompakte Elektroauto soll 35.000 Dollar kosten und den Weltmarkt ab Ende des kommenden Jahres aufmischen.
Die Vorreiter kämpfen um die Pole-Position
Fest im Visier hat Tesla dabei beliebte Mittelklasselimousinen wie den Audi A4, den 3er BMW oder die Mercedes-C-Klasse. In Sachen Elektrifizierung haben die deutschen Premiummarken bis jetzt noch nicht viel entgegenzusetzen.
Unter den deutschen Autobauern gilt bislang BMW als Vorreiter in Sachen Elektromobilität. Die Bayern sollen ihre Elektro-Submarke BMW i in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Gerüchten zufolge arbeiten sie bereits an einer elektrisch angetriebenen Geländelimousine, die, wenn alles gut geht, zum Ende der Dekade zu den Händlern rollt. Dem Stadtflitzer i3 verpasst BMW noch in der zweiten Jahreshälfte eine leistungsfähigere Batterie, mit der bis zu 300 Kilometer Reichweite möglich sein sollen.
Vorfahrt für clevere Lösungen
Neben der Elektrifizierung ist die Digitalisierung der stärkste Trend im Automobilsektor. Das vernetzte Auto ist längst Realität. Für die etablierten Hersteller ist das gleichermaßen Herausforderung und Chance. Bis 2021 vervierfache sich das weltweite Marktvolumen für autonome Fahrfunktionen auf 40 Mrd. Dollar, erwarten die Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. So ist etwa die S-Klasse von Mercedes, für viele die Speerspitze deutscher Ingenieurskunst, bereits teilautonom unterwegs.
Aber auch branchenfremde Unternehmen wie die IT-Giganten Alphabet (ehemals Google) und Apple arbeiten mit Hochdruck an autonomen Fahrsystemen. Premiumhersteller BMW agiert insgesamt vorsichtiger als die Kalifornier. Die Münchener treiben zwar die die Technologie voran. „Wir wollen die Nummer 1 im Bereich autonomes Fahren sein", betonte BMW-Chef Harald Krüger, aber mit Bedacht. Die Zusammenarbeit mit der israelischen Technologiefirma Mobileye und dem Chipkonzern Intel soll dabei helfen. Das Trio, das sich in der Technik optimal ergänzt, will nach eigenen Angaben bis 2021 die Technik für das autonom fahrende Elektroauto der Bayern entwickeln. Einen Namen gibt es auch schon: Es soll „iNext" heißen.
Was kann da noch schiefgehen? Das Roboterauto ermöglicht überdies völlig neue Geschäftsmodelle im Bereich Mobilität, wie etwa das Car-Sharing das durch autonomes Fahren noch attraktiver wird. Bereits in wenigen Jahren könnte man dann per App ein Roboterauto buchen, das Minuten später vor der Haustür steht. Schließlich können die Anbieter auf einen Fahrer verzichten, wenn sich das Auto selbstständig seinen Weg sucht. Investoren wittern schon die nächste Revolution – und das nicht ganz zu Unrecht. Ich jedenfalls finde die Idee verlockend, völlig Fahrerlos aber dafür pünktlich an der Haustür abgeholt zu werden.
Mit diesen Einblicken in die mobile Zukunft grüße ich Sie herzlich und kritisch zur Wochenmitte,
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Vier Tage in Folge legte der DAX nun zu, am gestrigen Dienstag knackte der deutsche Leitindex zwischenzeitlich sogar die Marke von 10.000 Punkten und schloss 1,3% im Plus bei 9.964 Punkten. Neben den Finanzwerten zogen vor allem die Automobilwerte das deutsche Börsenbarometer nach oben.
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