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Ausgabe vom 08. Juli 2016


  • Faule Kredite soweit das Auge reicht – Italiens Banken entfachen Großbrand in Europa



Faule Kredite soweit das Auge reicht – Italiens Banken entfachen Großbrand in Europa     




von Martina Bisdorf

Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL        FacebookLike   TwitterFollow


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in Italien und dem Rest der EU wächst die Angst um die italienischen Banken. Die Krisensymptome nehmen zu: So rauschten die Aktienkurse der Kreditinstitute in den vergangenen Tagen immer rasanter in die Tiefe, die Ausfallversicherungen für Banken wurden immer teurer. Einige Experten warnen bereits vor der Sprengkraft der italienischen Bankenkrise und dass sich diese auf ganz Europa ausweiten könnte.

„Der gesamte Bankenmarkt steht unter Druck“, so beschreibt laut der Nachrichtenagentur Bloomberg Lorenzo Bini Smaghi, Verwaltungsratschef der französischen Großbank Société Générale, die Lage. Kein Wunder, dass Italiens Ministerpräsident Renzi die Krisenbanken lieber heute als morgen mit frischem Staatsgeld stützen würde. Doch noch stellt sich die EU quer. Zuletzt holte sich Renzi beim EU-Gipfel vergangene Woche eine Abfuhr für seine Pläne, eine Kapitalspritze von 40 Mrd. Euro für die Banken zu kassieren.


Kapitalspritze der EU bislang abgelehnt – Eine Frage der Zeit…

Matteo Renzi steht unter Hochdruck - im Ausland und im eigenen Land. „Die italienischen Sparer und Kontoinhaber haben kein Problem, und das hat für mich Priorität“, beruhigte er sichtlich bemüht die verunsicherten Landsleute. Er sieht übrigens das Problem kurioserweise weniger in seinem eigenen Land als in Gesamteuropa. Seiner Meinung nach stellt sich die wirkliche Frage zu den europäischen Finanzen im Bereich der Derivate anderer Banken, was in Italien als Fingerzeig auf deutsche Banken gewertet wird.

Fakt ist aber, dass sich in den Bilanzen von Italiens Banken die Kredite in Höhe von rund 360 Mrd. Euro türmen, bei denen Kunden Probleme mit der Rückzahlung haben. Das entspricht einem Drittel (!) der gesamten faulen Darlehen in der Eurozone. Betroffen sind viele Regionalbanken. Neben der jahrelangen Talfahrt der italienischen Wirtschaft liegt das vor allem auch am Missmanagement bei der laxen Vergabe von Krediten.


Die faulen Kredite türmen sich in dreistelliger Milliardenhöhe

Man könnte dem ganzen Szenario auch den Untertitel geben: Nach der Krise ist vor der Krise! Denn letztlich ist das Ganze ein Wieder-Aufflammen der Bankenkrise in Italien. Denn schon lange brodelt es unter der Oberfläche. So befürchten Experten, dass Italien für die Eurozone zur größeren Gefahr werden als der EU-Austritt der Briten.

Die obersten Währungshüter sind alarmiert. In einem Schreiben drängen die Aufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) die besonders belastete Großbank Monte die Paschi di Siena (MPS) zu einem drastischen Abbau der faulen Kredite. Das toskanische Traditionshaus steht, stellvertretend für sämtliche betroffenen Kollegen, im Fokus der Kritik und ist zurzeit das „Gesicht“ der Krise.


Fehlende Kapitalpuffer bei bedeutenden italienischen Banken

Doch der Abbau kann nur gelingen, indem die Bank die Kredite mit deutlichen Verlusten verkauft und hohe Abschreibungen vornimmt. Dafür fehlen aber die Kapitalpuffer – trotz mehrerer Kapitalerhöhungen und zweier Rettungsaktionen durch den Staat seit der Finanzkrise 2008. Auch bei der größten Bank des Landes, Unicredit, wachsen die Sorgen vor neuen Lücken. Sie gilt als global systemrelevant. Eine Schieflage des Geldhauses könnte im weltweiten Finanzsystem gewaltige Schockwellen auslösen.

Die angeschlagenen Banken Italiens bräuchten schnell Staatshilfe, verlangte auch der Vizepräsident des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Philipp Hildebrand, am Mittwoch laut einem Artikel der Financial Times. Eine solche Hilfe sollte allerdings mit der klaren Vorgabe an die Institute einhergehen, endlich strukturelle Reformen einzuleiten. Dann bestehe die Chance, den Bankensektor wirklich zu stärken und die Hilfsgelder zurückzubekommen.


Geld aus Rom?

Nun sollen also laut den Forderungen aus Italien die notleidenden Geldinstitute nach den EU-Richtlinien, die erst 2014 verabschiedet wurden, abgewickelt werden. Dabei darf man nicht verschweigen, dass diese EU-Regeln die Beteiligung von privaten Anlegern vorsehen, die viele Kunden und Anleihebesitzer treffen würde. Genau hier ist der Haken, denn solche unpopulären Schritte will Premierminister Matteo Renzi kaum machen, denn bald sind Wahlen.

Das Fazit der oben erläuterten italienischen Bankenszene ist bereits deutlich sichtbar. Die Papiere bedeutender deutscher und europäischer Banken befinden sich auf Talfahrt. So ist die Deutsche Bank deutlich ins Minus gerutscht, die Anteilscheine der Commerzbank befinden sich im Rekordtief und in Frankreich ist die Société Générale bereits Schlusslicht im heimischen Aktienindex.


Die EZB wird´s wohl richten

Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass die Brandherde mit EZB-Geldern gelöscht werden, obwohl es in den vergangenen Jahren Warnungen genug gab. Während andere Länder konsequent gehandelt und ihre Banken an die Kandarre genommen haben, passierte in Italien eben - nichts! Die Europäische Zentralbank wird wohl um Hilfen nicht umhin kommen. Spannend – aber zu bezweifeln - wird dabei die Frage, ob zuvor die Regularien eingehalten werden. Das heißt, private Anleger müssten mindestens zu 8% beteiligt werden.

Trotz allem wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Erholen Sie sich bei angekündigtem Sonnenschein und einem Glas (italienischen) Rotwein von Bankenkrise und verlorenem Fußballspiel und lassen Sie einfach mal die Seele baumeln. Alles andere wäre augenblicklich purer Aktionismus.

Herzliche Grüße

Ihre
Martina Bisdorf

PS: Gespannt richten sich die Blicke der Börsianer heute auf die amerikanischen Jobzahlen, von denen man sich Hinweise auf die Zinspolitik der Fed erhofft. Wir halten Sie ab nächster Woche wieder auf dem Laufenden.




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