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Ausgabe vom 01. Juni 2016
Bauer sucht Subvention –
Helfen planwirtschaftliche Maßnahmen den geplagten Milchbauern?
- Zitat der Woche
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Bauer sucht Subvention –
Helfen planwirtschaftliche Maßnahmen den geplagten Milchbauern?
von Martina Bisdorf
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL Like Follow
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in den Medien war diese Woche zu lesen, der sinkende Milchpreis treffe die Bauern unterschiedlich hart, die Notierungen könnten jedoch schon bald wieder steigen. Diese optimistische Haltung gegenüber der desaströsen Milchpolitik, die sich in regelmäßigen Abständen immer wieder mit ihren völlig irrwitzigen Subventionen durchsetzt, hat mich doch verwundert.
Alle paar Jahre im Mai wiederholt sich das altbekannte Schauspiel, dessen Drehbuch so vorhersehbar ist wie das von „Bauer sucht Frau“ oder der Passionsspiele in Oberammergau. Erster Akt, Auftritt des Bösewichts: „Discounter senken Milchpreise auf Rekordtief.“ Zweiter Akt, dramatische Folge: „Milchbauern sind in ihrer Existenz bedroht.“ Dritter Akt, Katastrophe: „Das große Höfesterben ist unaufhaltsam.“
An der Realität vorbeigewirtschaftet – Mit unseren Steuergeldern
Aber wir sind weder bei den Passionsspielen, noch bei „Bauer sucht Frau“, sondern in der Realität, in der man einfach anerkennen muss, dass eine weltweite Milchschwemme existiert, die auch nicht durch die xte Subvention ausgemerzt wird. Im Gegenteil: Der Staat finanziert und fördert mit unseren Steuergeldern die Überproduktion des eigentlich so kostbaren Lebensmittels Milch.
Was die mitfühlenden Zuschauer dann meist nur am Rande mitbekommen, ist der so genannte „Milchgipfel“, der dieses Mal am vergangenen Montag in Berlin aufgeführt wurde. Schlussakt bekannt: Es gibt für die Bauern Geld vom Staat. Satte 100 Mio. Euro an Soforthilfen werden einfach so bereitgestellt, damit alles so weiter laufen kann wie bisher. Und, was kaum jemandem beim Einkauf bewusst ist: Für uns Verbraucher ist die Milch dann im Supermarkt keineswegs mehr so billig, wie uns dies suggeriert wird, denn die verprassten Steuergelder zahlen wir schließlich obendrauf!
Wer braucht so viel Milch? – Wer soll das bezahlen?
Die Frage ist doch schlicht und ergreifend: Ist die Lage tatsächlich so ernst? Der Absturz des Milchpreises klingt besorgniserregend. 46 Cent kostet der Liter Frischmilch aktuell im Durchschnitt bei den Discountern. Bei den Bauern kommen davon zwischen 17 und 23 Cent an - selbst für abgefülltes Trinkwasser zahlen Kunden mehr. Sicher sind rund 20 Cent für einen Liter Milch nicht angemessen. Und ja, dadurch sind bestimmt viele Milchbauern in ihrer Existenzgrundlage bedroht. Aber wir sollten uns zu allererst fragen, warum das so ist. Wie auf allen freien Märkten gibt es einfach zu viel Milch - ein klassisches Überangebot.
„Die Fokussierung auf Konsummilch wird der Marktlage nicht gerecht“, sagt dazu Andreas Gorn, Leiter des Bereichs Milchwirtschaft bei der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI). Die drastische Zahl ist zwar öffentlichkeitswirksam, sagt aber über die tatsächliche Ertragslage der Bauern nur wenig aus. Grund: Nur gut 10% der deutschen Milch gelangen zum direkten Verzehr in den Handel. Der überwiegende Teil wird als Milchpulver ins Ausland exportiert oder weiterverarbeitet, zum Beispiel zu Joghurt oder Käse.
Der Trinkmilchpreis allein hat keine Aussagekraft
Hier wird der Preis getrennt verhandelt und kann oft wesentlich höher liegen als für Trinkmilch. Zudem lässt der Milchpreis nur bedingt Rückschlüsse auf den Gesamtmarkt für Milcherzeugnisse zu. „Da die Milchpreise zwischen Molkereien und Discountern nur zweimal im Jahr verhandelt werden, ist der Preis ein stark nachlaufender Indikator“, so Gorn weiter. Das heißt im Klartext, dass für erfolgreiche Lobbyarbeit einzig der Milchpreis im Laden ein attraktiver Indikator ist, der dann auch immer wieder angeführt wird. Wer aber wissen will, wie sich die Perspektiven für die Bauern entwickeln, muss genauer hinschauen.
Laut einem Bericht der WirtschaftsWoche stehen die Zeichen für die Milchbauern langfristig gar nicht so schlecht, nämlich auf Wachstum. „Wenn die weltwirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen stabil bleiben, kommt es in den nächsten zehn Jahren zu einer deutlichen Ausweitung der Milchproduktion in Deutschland“, behauptet in diesem Artikel Frank Offermann vom Thünen-Institut. Die bundeseigene Behörde veröffentlicht einmal im Jahr eine Projektion für die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft in der kommenden Dekade.
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Baseline-Szenario 2025 zeichnet gute Aussichten für Milchbauern
Das „Baseline-Szenario 2025“ kommt zu einer erstaunlichen Aussage für den Bereich Milchproduktion: Demnach steigt das Einkommen der Milchviehbetriebe bis 2025 im Schnitt um 35% und läge damit höher als in allen anderen Betriebsformen. Nun, gegenüber dieser Prognose habe ich so meine Bedenken. Vor allem wenn man weiß, dass die weltweite Nachfrage nach Milch und Milchprodukten – wohlbemerkt aus Kuhmilch – in den letzten Jahren eher rückläufig gewesen ist.
Denn die optimistische Aussage von Herrn Offermann begründet sich auf zwei fragwürdige Faktoren: „Die Milchwirtschaft hat einen besonders hohen Exportanteil und profitiert am stärksten vom Nachfragewachstum in Schwellenländern und den günstigen Wechselkursen.“ Aber gerade in den Schwellenländern und auch in China, auf das man seitens der Milchindustrie vergebens als Exportmarkt gehofft hatte, ist die Nachfrage eher gering. Speziell in Asien spielt der hohe Anteil an laktoseintoleranten Menschen eine Rolle. Aber auch hierzulande und in den anderen westlichen Industrienationen steigt die Zahl der Verbraucher, die keine Kuhmilch vertragen, und deswegen auf Ersatzprodukte wie beispielsweise Sojaprodukte ausweichen. Diese wiederum haben mit unseren heimischen Kühen naturgemäß nichts zu tun.
Planwirtschaft ist immer zum Scheitern verurteilt
Trotzdem sehen Experten die Produktionsmenge an Milch in Deutschland in den kommenden Jahren um gut ein Viertel steigen. Dank sei der Subvention! Angemessener als jegliche staatliche Regulierung wäre, wie in so vielen Fällen wünschenswert, die Rückkehr zur Normalität. Ich jedenfalls hole meine Milch am liebsten beim Bauern um die Ecke, der unter anderem ein paar Kühe im Stall hat, – und dann auch nur so viel, wie ich wirklich brauche. Zugegeben, das kann nicht jeder so machen. Hier in der ländlichen Umgebung rund um Fulda ist das möglich, in der Innenstadt von Frankfurt wird das schon schwieriger.
Nichtsdestotrotz sind Planwirtschaftsmodelle zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Das haben wir am Beispiel DDR nur allzu deutlich erlebt. Man darf einfach nicht fördern, was nicht förderungswürdig ist. Hierzu gehört leider auch der Bauer mit seinen viel zu vielen Milchkühen. Wenn die Welt mit Milch überschwemmt wird, ist es logisch, dass der Preis ins Bodenlose rauscht. An den Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft ändern auch (zu) gut gemeinte Zuschüsse nichts.
Ich grüße Sie herzlich und kritisch zur Wochenmitte,
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Auch im Fall der überhand nehmenden chinesischen Einkaufstouren greift die Bundesregierung ein: Der chinesische Hausgerätehersteller Midea will den Augsburger Roboter-Spezialisten Kuka übernehmen. Die Bundesregierung würde aber lieber einen europäischen Investor sehen. Allerdings gestaltet sich die Suche schwierig. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Zitat der Woche
„Wenn den Bauern Geld zur Verfügung gestellt wird, dann muss es an die Bedingung geknüpft werden, dass sie weniger produzieren."
Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter am Rande des „Milchgipfels“
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