Börse, Wirtschaft, Lifestyle - Was Anleger & Börsenprofis bewegt
Ausgabe vom 30. November 2015
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N-Olympia und 5 nach 12 für das Weltklima – Wieviel Befindlichkeit können wir uns leisten?
von Martina Bisdorf
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL Like Follow
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
kein Olympia 2024 in Deutschland und Herausforderung Klimawandel, das sind die Themen, die uns in dieser Woche begleiten werden. Sowohl an der Börse, wo sie vermutlich eher eine untergeordnete Rolle spielen dürften, als auch in der Politik und im privaten Bereich. Denn die Frage lautet: Welche Welt wollen wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen?
UN-Klimagipfel beginnt heute in Paris – Realität Klimawandel
Dass der Klimawandel Realität ist, wird heute von keinem mehr ernsthaft bestritten. Sehr wohl diskutiert wird hingegen die Frage, wie in Zukunft seinen Folgen begegnet werden kann. Das wiederum ist der Aufhänger für viele Streitpunkte, die den UN-Klimagipfel begleiten werden, der heute in Paris beginnt und bis 11. Dezember dauern wird. Die Wunschliste der Beteiligten und Betroffenen ist lang.
Vorneweg stehen viele kleine Inselstaaten, die vom Anstieg des Meeresspiegels besonders bedroht sind. Sie wünschen sich eine neue Grundverpflichtung. Nach ihren Vorstellungen soll die Erdtemperatur bis 2100 um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter steigen. Das wäre ein ehrgeiziges Ziel, bei der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 hatten die Teilnehmer noch „zur Kenntnis“ genommen, dass die Erdtemperatur um nicht mehr als 2 Grad steigen sollte. Jeder weiß, dass es eigentlich schon 5 nach 12 ist.
Industriestaaten und Schwellenländer gleichermaßen in der Pflicht
Hier müssen vor allem die USA Farbe bekennen. Noch Anfang dieses Monats sprach US-Außenminister John Kerry davon, nicht verbindlich werden zu wollen… Aber selbst wenn die Länder ihre Treibhausgasemissionen so stark reduzieren, wie vor der Konferenz in ihren nationalen Klimazielen angekündigt, würde die Erdtemperatur nach UN-Angaben um etwa 2,7 Grad steigen. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP geht sogar von einem Anstieg von 3 bis 3,5 Grad Celsius aus. Die Erde hat sich seit 1850 bereits um 0,8 Grad erwärmt.
Natürlich sind hier vor allem die Industriestaaten in der Pflicht, aber auch die Schwellenländer wie Indien oder China, wo Umweltschutz noch ein Fremdwort zu sein scheint. Dennoch, die Hoffnung stirbt zuletzt und schießlich müssen sich auch die Unternehmen, namentlich nicht nur VW!, und letztlich jeder einzelne von uns Gedanken machen, was man jetzt noch tun kann. Und wie unser Geld sinnvoll und nachhaltig investiert werden kann. Jedenfalls nicht in Olympia...
Kein Olympia in Hamburg – Aus wirtschaftlicher Sicht eine weise Entscheidung
Kaum war das Ergebnis des Hamburger Olympia-Referendums bekannt, fingen die unterlegenen Olympia-Befürworter an zu schimpfen. Auf den entsprechenden Social-Media-Plattormen ging es dann auch geschmacklos rund: Die „German Angst" sei wieder einmal da, Hamburg mache sich klein, die „Neinsager und Nörgler" würden allen ein tolles Event vermiesen. „Armselig, rückgratlos, kleingeistig" seien sie, gar „provinziell und dumm.“ Ein Teilnehmer sah sogar eine „Katastrophe für den Standort Deutschland" daraus heraufziehen…
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, der Motor der Olympia-Bewerbung der Hansestadt, blieb sachlicher. „Ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht, aber sie ist klar, und das Ergebnis ist zu akzeptieren", sagte der SPD-Politiker, der einsehen musste, dass er trotz monatelanger und millionenschwerer PR-Kampagne nicht genügend seiner Bürger überzeugen konnte.
Es gab gute Gründe, nein zu sagen
Aber schauen wir uns das Ganze doch mal unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten an. Hier muss man ganz klar sagen, dass die Hamburger vernünftig votiert haben. Auch wenn Olympia der Traum vieler Mitbürger war, so ist es doch mehr als fraglich, was das Groß-Event wirklich gebracht hätte.
Die Meinung, dass die Entscheidung richtig war, ist unter den Finanz- und Wirtschaftsexperten vorherrschend. Denn Olympia mit den Erwartungen, die heutzutage an ein solches Sportereignis geknüpft werden, ist schlichtweg kaum mehr finanzierbar – und eine Angelegenheit mit unklarem Nutzen obendrein. Das sieht man an den Beispielen Atlanta, Athen und sogar Sydney: Es wurden kaum nennenswerte Spuren hinterlassen. Ein Ausnahmefall ist noch Barcelona 1992. Der Erfolg der Katalanen hat sich so aber nicht wiederholt.
Finanzierung stand auf wackligen Füßen
Das mit viel Mühe und vielen Millionen Euro angefertigte Olympia-Konzept sowie der Finanzplan waren tatsächlich wenig überzeugend. Es gab ungeklärte Baustellen, offene Punkte, die man nur bedenkenlos übergehen konnte, wenn man Feuer und Flamme für Olympia war. Allen voran die ungeklärten Kosten: Sich in einer Stadt, in der ein mit 77 Mio. Euro veranschlagtes Konzerthaus knapp 800 Mio. kosten kann, etwas kritischer mit Finanzplänen auseinanderzusetzen, hat nichts mit Kleingeistigkeit zu tun. Sondern mit gesundem Menschenverstand.
Es half nicht, dass bis zum Referendum unklar war, mit wie vielen Milliarden Euro sich der Bund beteiligen würde, und offensichtlich noch weniger, dass Scholz dieses Problem kleinzureden versuchte. Über das „kleine Geld“ werde man sich schon einig, hatte er auf einer PR-Veranstaltung gesagt. Gemeint waren damit 6,2 Mrd Euro! Und auch der Punkt Sicherheit, im Finanzplan mit 461 Mio. Euro veranschlagt - über 1 Mrd. Euro weniger als in London 2012 - war wenig glaubwürdig, besonders jetzt, wo man davon ausgehen muss, dass Großereignisse dieser Art künftig um ein Vielfaches an Sicherheitsmaßnahmen draufgesattelt werden muss.
Nicht zuletzt hatten bestimmt auch der Fifa-Skandal und die WM-Affäre Einfluss auf die Entscheidung. Und, wenn wir mal ganz ehrlich in uns hineinhorchen, sind wir vielleicht angesichts der erhöhten Terrorgefahr gar nicht so böse darum, dass wir nicht die „ganze Welt“ bei uns zu Gast haben werden, was unweigerlich dazu führen würde, dass diese auch ganz gezielt auf uns schauen würde…
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Börsenwoche und in eine hoffentlich friedliche Adventszeit.
Herzliche Grüße
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Besonderes Augenmerk liegt diese Woche auf dem EZB-Zinsentscheid am Donnerstag. Börsianern zufolge sollte der Handel vor der EZB-Sitzung am Donnerstag in ruhigen Bahnen verlaufen. Gespannt warten die Anleger darauf, ob Zentralbank-Chef Mario Draghi die Geldschleusen tatsächlich noch weiter öffnen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Ihre BÖRSEN-SPIEGEL-Woche im Überblick
Montag, 30. November 2015
Konjunkturdaten:
USA: Schwebende Hausverkäufe 10/15
Unternehmensdaten:
Deutschland:
Vonovia: ao Hauptversammlung zur Kapitalerhöhung (10:00)
TLG Immobilien Q3-Zahlen
Capital Stage: Q3-Zahlen
Europa:
Schweiz: BB Biotech: Bioday 2015 - Thema Volkskrankheiten
Sonstige Termine:
Frankreich: Treffen der Staats- und Regierungschefs zum Auftakt der 21. UN-Klimakonferenz in Le Bourget/Paris (bis 11.12.)
USA: Sitzung des Exekutivrates des Internationalen Währungsfonds (IWF). Unter anderem Entscheidung, ob der chinesische Yuan als fünfte Weltreserve-Währung in den Währungskorb aufgenommen wird, Washington
Dienstag, 01. Dezember 2015
Konjunkturdaten:
09:55 Deutschland: Arbeitslosenzahlen 11/15
Deutschland: PMI Verarbeitendes Gewerbe 11/15 (endgültig)
10:00 Deutschland: VDMA Auftragseingang 10/15 10:00
10:00 EU: PMI Verarbeitendes Gewerbe 11/15 (endgültig)
EU: Arbeitslosenzahlen 10/15 15:45
USA: Markit PMI Verarbeitendes Gewerbe 11/15 (endgültig)
16:00 USA: Bauausgaben 10/15 16:00
USA: ISM-Index Verarbeitendes Gewerbe 11/15
USA: Pkw-Absatz 11/15
Unternehmensdaten:
Europa:
Schweiz: LafargeHolcim Capital Markets Day, London
Sonstige Termine:
09:30 Deutschland: Presse-Roundtable der Société Générale zu Anleihe- und Aktienemissionen 2015 und Einschätzung zu den Kapitalmärkten 2016, Frankfurt
12:00 Deutschland: Berenberg Bank, Konjunkturausblick 2016 mit Chefvolkswirt Holger Schmieding, Frankfurt
12:30 Deutschland: Jahresabschluss-Pk des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) mit VDA-Präsident Matthias Wissmann, Berlin
Mittwoch, 02. Dezember 2015
Konjunkturdaten:
08:00 Deutschland: Einzelhandelsumsatz
11:00 EU: Verbraucherpreise 11/15 (vorab)
11:00 EU: Erzeugerpreise 10/15
14:15 USA: ADP-Arbeitsmarktbericht 11/15 14.30
USA: Produktivität Q3/15
16:30 USA: Energieministerium Ölbericht (Woche)
20:00 USA: Fed Beige Book
Unternehmensdaten:
Europa:
Finnland: Nokia ao Hauptversammlung
Deutschland:
Dt. Lufthansa: Aufsichtsratssitzung und anschließender "Jobgipfel" mit den Gewerkschaften
Donnerstag, 03. Dezember 2015
Konjunkturdaten:
09:55 Deutschland: PMI Dienste 11/15 (2. Veröffentlichung)
10:00 EU: PMI Dienste 11/15 (2. Veröffentlichung)
11:00 EU: Einzelhandelsumsatz 10/15 13:45
13.45: EZB-Zinsentscheid; anschließend Pk (14:30)
14:30 USA: Erstanträge Arbeitslosenhilfe (Woche)
15:45 USA: Markit PMI Dienste 11/15 (endgültig)
16:00 USA: Industrieaufträge 10/15
16:00 USA: ISM-Index Dienste 11/15
Unternehmensdaten:
Deutschland:
10:00: Vonovia ao Hauptversammlung zur Kapitalerhöhung
Europa:
Italien: Fiat Chrysler: ao Hauptversammlung
Sonstige Termine:
09:00 Deutschland: 7. Deutsches Wirtschaftsforum, Frankfurt; im Fokus: deutsche Wirtschafts- und Industriepolitik, auch mit Blick auf den gesamteuropäischen Kontext.
11:00 Deutschland: Jahres-Pk Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) zur Entwicklung des deutschen Automarktes 2015 und Ausblick auf 2016: Welche Folgen hat der Abgas-Skandal beim Volkswagen Konzern auf die Branche, Frankfurt
Freitag, 04. Dezember 2015
Konjunkturdaten:
08:00 Deutschland: Auftragseingang 10/15
14:30 USA: Arbeitsmarktbericht 11/15
14:30 USA: Handelsbilanz 10/15
Unternehmensdaten:
Deutschland:
Air Berlin: Verkehrszahlen 11/15 (08:45)
WincorNixdorf: Geschäftsbericht
Sonstige Termine:
08:30 Deutschland: Halbjährliche Wirtschaftsprognose der Bundesbank
11:00 Deutschland: Halbjahrestreffen der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec)
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