Börse, Wirtschaft, Lifestyle - Was Anleger & Börsenprofis bewegt
Ausgabe vom 25. Juni 2015
- Pressespiegel: Krisenherd Ost – Wie geht es Russland mit den Sanktionen?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
nachdem die Verhandlungen zwischen dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und den Chefs der Gläubigerinstitutionen über einen Kompromiss im Schuldenstreit in der vergangenen Nacht ohne einen Durchbruch auf heute Morgen vertagt wurden, heißt es wieder einmal abwarten…
Auch wenn führende Ökonomen wie Hendrik Leber, „Mr. DAX“ Dirk Müller oder Prof. Max Otte den Grexit für heilsam halten, so wird sich wohl die Sache mit dem „faulen Kompromiss“ noch weiter hinziehen – hoffentlich nicht, bis er anfängt zu stinken. Die meisten Investoren wünschen sich jedenfalls nur eins: eine Entscheidung, egal wie...
Schauen wir inzwischen lieber einmal auf einen anderen Krisenherd. Denn es gibt ihn noch, den Russland-Ukraine-Konflikt, auch wenn Hellas im Moment das alles beherrschende Thema ist.
Es gibt noch andere Krisenherde – Wie sieht es in Russland aus?
Nun, man höre und staune, das Land lebt eigentlich ganz gut mit der Stagnation. Denn die Wirtschaft leidet unter den Sanktionen nicht so sehr wie gedacht. Erste deutsche Unternehmen planen sogar neue Investitionen.
Schlägt auch hier das Phänomen der Gewöhnung durch oder steckt mehr dahinter? Immerhin scheint sich der Markt an Russlands Krieg in der Ostukraine allmählich gewöhnt zu haben. Zwar kämpfen von Moskau unterstützte Separatisten weiter jeden Tag mit ukrainischen Verbänden - und in der Folge bleiben die EU-Sanktionen bestehen. Doch die Sanktionspolitik des Westens trifft die russische Wirtschaft beileibe nicht so hart wie erwartet.
Gerade korrigierte nach dem russischen Wirtschaftsministerium auch die Weltbank ihre Prognose: Statt um 3,8% werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dieses Jahr „nur“ um 2,7% schrumpfen, ehe nächstes Jahr wieder ein Wachstum von 0,7% möglich erscheint.
Befürchteter Banken-Run ist ausgeblieben – Investoren wittern Chancen
Der Rubel hat zu Dollar und Euro seit Februar um 30 und 25% aufgewertet, eine Leitzinssenkung hat die Inflation vom 13-Jahres-Rekord im März etwas heruntergeholt, das Budgetdefizit wächst nicht weiter, und die Börsenindizes steigen auch wieder.
„Die nervöse Lage infolge der Ukrainekrise hat sich etwas beruhigt", sagt Alexander Libman von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Darum und wegen des steigenden Ölpreises seien Investoren nach einer teils irrationalen Flucht nun wieder stärker in Rubel investiert. Hilfreich sei zudem, dass der Staat mit soliden Rettungspaketen den Banken-Run verhindert habe.
Wie immer donnerstags habe ich Ihnen einige Einschätzungen aus renommierten Börsen- und Wirtschaftsmagazinen zum Thema zusammengetragen:
Das meinen die Experten:
WirtschaftsWoche
Vom 19. Juni 2015
Russische Behörden rollen den roten Teppich aus
„Einige deutsche Investoren wittern aber bereits wieder Chancen. Mittelständler Huber Technology, ein Hersteller von Wasserauf1 bereitungsanlagen aus Berching in der Oberpfalz, stellt gerade auf Direktvertrieb um und plant den Aufbau einer kompletten Produktion. Natürlich sei die Investition mit Risiken behaftet, sagt Landeschef Hans-Dieter Häusler, dennoch:,Eine Krise ist die beste Zeit, um zu investieren.‘ Bald werde Russland das Tief überwunden haben, dann müsse man dringend die maroden Abwassersysteme erneuern. Auch der Einzelhandel startet durch: Tengelmann will noch in diesem Jahr zwölf ,Plus‘-Märkte in Russland eröffnen, ebenso plant der westfälische Modehersteller Gerry Weber den Ausbau seiner Aktivitäten. Bei der deutsch-russischen Auslandshandelskammer registriert man verstärkt Anfragen von Unternehmen, die sich in Russland niederlassen wollen. Ulf Schneider, Chef eines gleichnamigen Beratungsunternehmens in Moskau, bestätigt: Vor allem regionale Behörden seien im Moment besonders offen gegenüber ausländischen Investoren. ,Wer sich neu im Land ansiedeln möchte, dem rollen sie jetzt den roten Teppich aus‘, sagt Schneider. Das gelte übrigens auch für die Ukraine.“
Zürcher Finanzbrief
Vom 23. Juni 2015
Genugtuung - Ukraine hat Zeche gezahlt
„Mit Genugtuung hat der Kreml den Eingang der Coupon-Zahlung am Montag vermeldet. Der 3 Mrd. Euro schwere Bond wurde 2013 zur Unterstützung der damals schwächelnden alten Regierung Janukowytsch begeben. Die Zeche muss nun die neue Regierung begleichen und sprüht entsprechend vor Begeisterung. Die Drohung, den halbjährlichen Zins über 75 Mio. Euro nicht zu zahlen, stand bereits seit Wochen im Raum. Eine Drohung, die der Kreml aufs Schärfste angriff und obendrein deutlich machte, dass man die volle Tilgung im Dezember erwarte. Bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und den restlichen Gläubigern herrscht dagegen Stillstand. Beide Seiten haben sich in den letzten Wochen entfernt. Wir erwarten den Showdown frühestens Ende Juli und eine Einigung wird voraussichtlich erst in letzter Minute möglich sein.“
Deutsche Wirtschafts Nachrichten online
Vom 24. Juni 2015
Russland verlängert Sanktionen gegen EU
„Russland hat als Reaktion auf westliche Strafmaßnahmen in der Ukraine-Krise seine Sanktionen gegen die EU um ein Jahr verlängert. Einen entsprechenden Antrag der Regierung habe er am Mittwoch unterzeichnet, sagte Präsident Wladimir Putin der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Russland hatte unter anderem einen Einfuhrstopp für westliche Lebensmittel verhängt. Die Führung in Moskau sieht die Sanktionen auch als Chance, die heimische Produktion von Lebensmitteln zu stärken. Die EU hatte am Montag ihre Strafmaßnahmen gegen Moskau bis Ende Januar 2016 verlängert. Die Sanktionen zeigen in Deutschland Wirkung: Bauernpräsident Joachim Rukwied hat ,brutale‘ Folgen durch die Russland-Sanktionen für die Landwirtschaft beklagt und eine Überprüfung gefordert. Russland hatte als Reaktion auf Sanktionen des Westens wegen der Ukraine-Krise vorigen Sommer einen Importstopp für Lebensmittel verhängt. Russland selbst behauptet, vor allem in der Landwirtschaft sogar von den Sanktionen profitiert zu haben: Die ,Kollegen im Westen‘ hätten durch die Sanktionen die russische Produktion gestärkt, sagte ein Minister laut TASS.“
Russland zeigt sich selbstbewusst
Wie man lesen kann, mangelt es Russland nicht an Selbstbewusstsein. Und das nicht ganz ohne Grund: Geld ist geflossen und die Sanktionen, als gegenseitiges Machtmittel zwischen dem Kreml und den westlichen Nachbarn eingesetzt, zeigen sogar – zumindest angeblich - ihre positiven Seiten für das Land.
Zudem scheinen wieder einige Investoren, auch aus Deutschland, gute Chancen in dem Schwellenland zu sehen. Es tut sich also – vielleicht zu wenig beachtet – einiges auf dem Globus, auch jenseits des Hellas-Krimis.
Mit diesen Eindrücken wünsche ich Ihnen einen schönen Tag.
Herzliche Grüße
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Laut einer heute vorgelegten Studie für das Bundeswirtschaftsministerium leidet die ostdeutsche Wirtschaft noch immer unter ihrer kleinteiligen Struktur. Laut der Studie hemmt dieser Umstand das Wachstum in den östlichen Bundesländern und verhindert eine weitere Annäherung an das westdeutsche Niveau. Um die Benachteiligung zu überwinden, sollten künftig eine Vernetzung ostdeutscher Unternehmen, der Export und junge Firmen besonders gefördert werden, schlagen die Experten vor.
|