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Ausgabe vom 21. Mai 2015
- Pressespiegel: Grexit oder nicht – Das ist hier die Frage
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
kommt der „Grexit“ (Austritt Griechenlands aus der europäischen Währungsunion) oder nicht? Mit dieser Frage beschäftigen sich sämtliche Experten aus der Finanz- und Wirtschaftswelt nun schon seit geraumer Zeit. Finden EU und Griechenland noch einen Ausweg aus der Krise? Oder ist es schon zu spät? In Griechenland wächst der Druck auf die Regierung.
Euro-Gruppe will Hilfspaket für Griechenland verlängern
Nach den neusten Meldungen aus den Medien plant die Euro-Gruppe, das Hilfsprogramm für Griechenland bis Ende des Sommers zu verlängern. Das sei die beste Option, um Griechenland vor der Pleite und einem versehentlichen Ausscheiden aus der Währungsunion zu bewahren, sagte ein hochrangiger Beamter der Euro-Gruppe der Süddeutschen Zeitung am Morgen.
Ob eine solche Verlängerung beschlossen wird, hängt von dem Gespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und und Griechenlands Premier Alexis Tsipras ab. Die beiden treffen sich am Donnerstagabend auf dem EU-Gipfel in Riga.
Schäuble schließt Griechenland-Bankrott nicht mehr aus
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hingegen schließt einen Bankrott Griechenlands nicht mehr aus, was er ja in der Vergangenheit schon öfter angedeutet hatte. Er würde heute lange nachdenken, bevor er seine Worte von 2012 wiederholen würde, dass es keine Pleite Griechenlands geben werde, sagte Schäuble der französischen Zeitung Les Echos und dem Wall Street Journal. Mit Blick auf die neue Linksregierung in dem Land sagte er, die Lage sei heute sehr anders im Vergleich zu 2012.
So sieht es die Finanzwelt
Was die einschlägigen Finanzmagazine zum Fall Griechenland meinen und wie sie einen möglichen „Grexit“ einschätzen, das lesen Sie hier im Pressespiegel, den ich Ihnen zum Thema zusammengestellt habe.
Als besonderes Schmankerl für Sie gibt es eine Karikatur aus dem Online-Portal der griechischen Zeitung Kathimerini. Ein netter Leser hat sie mir zukommen lassen und auch gleich die Übersetzung dazu geliefert. Dafür sei ihm an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gedankt. Efcharisto!
Das meinen die Experten:
Cash
Juni-Ausgabe 2015
Grexit bis 2020 wahrscheinlich
„,Strukturelle Reformen und harter Sparkurs werden für Griechenland langfristig zu teuer. Dagegen dürfte ein Austritt aus dem Euro die griechische Wettbewerbsfähigkeit verbessern,‘ so Anna Stupnytska (Volkswirtin bei Fidelity; d.Red.). Die Ansteckungsgefahr für andere Länder sei außerdem geringer als noch 2012. ,Meiner Einschätzung nach ist die Wahrscheinlichkeit eines Grexit in den vergangenen Wochen eindeutig gestiegen. Ich glaube nicht, dass es in diesem Jahr dazu kommen wird, aber ich gehe davon aus, dass ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone in den nächsten drei bis fünf Jahren sehr wahrscheinlich ist. Irgendwann dürften die starken strukturellen Reformen und der harte Sparkurs politisch wie sozial zu kostspielig werden‘, lautet die Einschätzung. Um die Wettbewerbsfähigkeit signifikant zu verbessern, dürfte es für Griechenland leichter sein, aus dem Euro auszusteigen und eine Währungsabwertung vorzunehmen, sagt Stupnytska: ,Das wird voraussichtlich in den nächsten Jahren geschehen. Momentan ist der politische Wille noch stark ausgeprägt, Griechenland in der Währungsunion zu halten - besonders in Deutschland. Aber gleichzeitig wurde in den vergangenen Jahren eine Art Schutzwall um Griechenland herum gebaut. Deshalb reagieren die Märkte nicht so stark auf die anhaltenden Spannungen. Ich denke, dass die Institutionen eine ausgeprägte Verhandlungsmacht haben und nicht die ersten sein werden, die reagieren werden - das wird die griechische Regierung sein.‘ Ein Grexit bringt laut der Fidelity-Analystin natürlich eine gewisse Ansteckungsgefahr für andere Länder mit sich. Dieses Risiko sei allerdings geringer als es noch 2012 bei der letzten großen Krise war. ,Denn es gibt Schutzmaßnahmen, vor allem das Quantitative Easing der Europäischen Zentralbank EZB ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Die Märkte werden auf den Grexit reagieren, und es wird zu vorübergehenden Turbulenzen kommen, aber im Endeffekt wird dies für Griechenland mit weitaus höheren Kosten verbunden sein als für alle anderen Marktteilnehmer‘, erklärt Stupnytska.“
Focus Money
Vom 20. Mai 2015
Siechtum Griechenlands
„Die Lage: Das Siechtum Griechenlands zieht sich wie Kaugummi. Reformen? Fehlanzeige. Stattdessen wird getrickst. Vergangene Woche musste das Land 756 Mio. Euro an den Internationalen Währungsfonds überweisen. Woher das Geld kam? Aus griechischen Kapitaleinlagen beim IWF. Das sagt der Experte (Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse Baader Bank; d.Red.): ,Ohne Abwertung der Währung und einen Schuldenschnitt kommt Griechenland nicht mehr auf die Beine. Alles andere wäre ein Wunder! Ein Ausscheiden aus dem Euro ist für mich daher unumgänglich. Die Wahrscheinlichkeit sehe ich bei 40 : 60. Die Finanzmärkte wären sicher irritiert. Aber die EZB würde ein Überschwappen der Krise auf andere schwächelnde Staaten nicht zulassen. Da habe ich keine Bedenken. Aber die Politik hat natürlich auch etwas gegen den Grexit. Die Bundesregierung müsste sich dann vorhalten lassen, dass sie 80 Mrd. Steuergelder in der Ägäis versenkt hätte. Und wer weiß, was noch passieren würde? Vielleicht käme der Nato-Partner Griechenland ja dann auf die Idee, seine Häfen für russische Kriegsschiffe zu öffnen. Es kämpft also der Euro-Polit-Rationalismus gegen die wirtschaftliche Vernunft.‘“
Online-Portal Kathimerini
Vom 10. Mai 2015

Erklärung/Übersetzung: Auf dem Bild ist das griechische Parlament abgebildet. Zwei Bürger stehen davor und schauen gespannt auf die Fenster. Der linke Herr im blauen Anzug schreit: „Weißer Rauch! Sie haben sich geeinigt!“, und zeigt auf das linke Fenster. Der Mann rechts zeigt auf das rechte Fenster und fragt, was der schwarze Rauch bedeute. Daraufhin antwortet der Mann im blauen Anzug „Das sind die Bedingungen...“
Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone scheint näher zu rücken
Schenkt man nun den drei Pressebeiträgen Glauben, müsste man annehmen, dass sämtliche Verhandlungen nur auf einen Aufschub des „Grexit“ hinauslaufen. Auch darf man, nach allen Erfahrungen, die man bisher mit der neuen griechischen Regierung gesammelt hat, in das morgige Gespräch zwischen Angela Merkel und Alexis Tsipras in Riga sicher nicht allzu viele Hoffnungen setzen. Man wird sehen - und wir halten Sie, wie immer, auf dem Laufenden.
Mit diesen Eindrücken wünsche ich Ihnen einen schönen Tag.
Herzliche Grüße
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Glücklicherweise ist der Bahnstreik, über den ich mich gestern an dieser Stelle ausgelassen hatte, erst einmal beendet. Schwierig für die Reisenden kann es bis zum Pfingstwochenende dennoch werden. Aufgepasst: Es fahren noch lange nicht alle Züge so wie vor dem Ersatzfahrplan, da die ganze Ordnung erst wieder langsam in Gang gebracht werden muss. Fahrgäste informieren sich am besten telefonisch über die Telefon-Hotline oder die Live-Auskunft auf der entsprechenden Internetseite der Dt. Bahn.
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