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Ausgabe vom 20. Mai 2015


  • Streiks und kein Ende – Stillstand bei der Bahn, Ruhe in der Kita, Leere im Briefkasten... 

  • Zitat der Woche 
     



 


Streiks und kein Ende – Stillstand bei der Bahn, Ruhe in der Kita, Leere im Briefkasten...   



   

von Martina Bisdorf
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL        FacebookLike   TwitterFollow

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wer heute Morgen mit der Bahn an die Arbeit wollte, hatte schon gelitten. Wieder sind Züge gestrichen, das Notfallprogramm mit dem Ersatzfahrplan ist für konkrete Zugverbindungen erst ab 12 Stunden vor Antritt der Fahrt genau zu erfahren – sofern man sich durch die entsprechende Internetseite der Bahn durchgeschlagen hat. Wegfindung scheint hier im wahrsten Sinne des Wortes angesagt zu sein.

Auch mein Kollege, der über Pfingsten mit seiner Frau ein paar schöne Tage in Berlin verbringen will und seinen Zug in weiser Voraussicht schon lange vorher gebucht hatte, muss nun ständig die Fernverbindungen beobachten. Eine kleine „Nebenbeschäftigung“ also, die Zeit und Nerven kostet. Inzwischen ist er schon am überlegen, ob die beiden nicht einfach „ganz entspannt“ mit dem Auto fahren sollen…


Reisen mit der Bahn – Urlaub von Anfang an…

Da wirkt der Werbeslogan „Reisen mit der Bahn – Urlaub von Anfang an“ doch eher zynisch. Fast als zynisch habe ich heute Morgen auch die Bilder im ARD-Morgenmagazin empfunden, die die streikenden GDLer im „Streik-Café“ in Berlin „unter Palmen“ bei Kaffe und belegten Brötchen zeigten.

Doch, sagte ich mir, Vorsicht! Es hatte schließlich einen Grund, warum die Lokführer und Zugbegleiter ihre Arbeit niedergelegt haben – auch wenn das nun schon das neunte Mal ist und von den Fahrgästen langsam kaum noch jemand Verständnis dafür aufbringt.


Nachbesserungen bei Tarif und Arbeitsbedingungen nötig

Ja, sie werden zu schlecht bezahlt für das, was sie leisten. Und dennoch kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass das Ganze inzwischen zum Selbstläufer geworden ist. Ist es nicht längst ein reiner Machtkampf zwischen Herrn Weselsky, dem selbsternannten „Robin Hood“ der kleinen Bahnangestellten, und der mächtigen Deutschen Bahn? Selbst aus den eigenen Reihen wird Kritik laut.

Und ja, auch die Erzieherinnen werden zum Teil zu schlecht bezahlt, ebenso die Postboten. Dennoch finden wir es hier in der Redaktion nicht gut, wenn wir auf wichtige Post und Material, das wir dringend zur Recherche für unsere Arbeit brauchen, einige Tage länger warten müssen.

Auch meine Kollegin, die zwei kleine Kinder hat, ist langsam genervt vom Kita-Streik. Wie gut, dass es die Oma gibt, die einspringen kann, damit sie für uns und für Sie ihrer Arbeit nachgehen kann.


Wer soll das bezahlen…?

Nicht zu vergessen ist ja auch, dass ein Streik finanziert werden muss. So bekommen die GDL-Mitglieder, die sich in die Streiklisten eintragen, inzwischen ein Tagegeld von 100 Euro, statt wie bisher 75 Euro, damit ihnen kein existentieller Schaden entstehe, wie der Berliner GDL-Bezirksvorsitzende Frank Nachtigall heute Morgen bei Kaffee und Kuchen betonte. Sorry, das klang schon wieder zynisch.

Aber es gibt noch so viele andere Berufsgruppen, die zu wenig verdienen und zu schlechte Arbeitsbedingungen haben. Man denke nur an die Kranken- und Altenpflege. Ich weiß das von meiner Tochter, die als examinierte Altenpflegerin in jeder Schicht eine hohe Verantwortung für viele Menschen trägt – und das bei massiver Unterbesetzung und hohem Krankenstand im Kollegium.

Da wird zehn Tage am Stück durchgearbeitet und es dürfen keine Tabletten vertauscht werden, niemand soll wund liegen – mal ganz abgesehen von der Zuwendung, die man einem alten Menschen gerne schenken möchte, wofür man aber schlichtweg keine Zeit hat, weil sonst ein anderer Bewohner nicht rechtzeitig sein Essen bekommt oder erst mittags gewaschen würde.

Und überhaupt: Was macht eigentlich die alleinerziehende Krankenschwester, die vor der geschlossenen Kita steht und mit dem nächsten Zug fahren müsste, um pünktlich zum Schichtbeginn auf ihrer Station zu sein?


Austragen auf dem Rücken anderer

Sicher, auch in der Pflege gab es schon Streiks, aber nicht neunmal in Folge und nicht mit diesem Ausmaß an Behinderung für die restliche Bevölkerung, die einfach nur pünktlich zur Arbeit will. Und sicher, der Arbeitskampf ist ein probates Mittel, um berechtigte Interessen durchzusetzen. Aber in diesem Fall könnte die Überlegung nahe liegen, dass es schlicht um einen Machtpoker zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber geht, der auf dem Rücken der vielen unbeteiligten Reisenden ausgetragen wird.

So, jetzt habe ich mir ein wenig Luft gemacht. Ich betone nochmals, dass es richtig ist, dass die Beschäftigten bei der Bahn, in den Kitas, bei der Post und überall sonst, einen gerechten Lohn und gute Arbeitsbedingungen erhalten. Aber über die Wahl der Mittel lässt es sich eben strei(k)ten!


Zwischenruf aus dem Bauch heraus

Ich gebe zu, dass ich heute im Bezug auf Fakten selbst ein wenig „gestreikt“ und eher mal einen Zwischenruf abgegeben habe. Aber auch das muss mal sein. Umso mehr interessiert mich Ihre Meinung zum Thema Streik.

Sind Sie selbst betroffen als Arbeitnehmer/in, als Bahnkunde/in, als Mama oder Papa, die/der die Betreuung für den Nachwuchs nun neu organisieren muss? Wie erleben Sie die deutsche Streikkultur? Ich freue mich auf Ihre E-Mail unter:
Martina.Bisdorf@boersenspiegel.com

Es grüßt Sie herzlich und kritisch zur Wochenmitte

Ihre

Martina Bisdorf

PS: Angeblich muss GDL-Chef Claus Weselsky um die Unterstützung seiner Mitglieder fürchten, wie der FAZ-Journalist Franz Nestler am Montagabend auf Twitter gepostet hat. Das sei auch der Grund, warum Weselsky das Ende des neuen Bahnstreiks offen gelassen habe. Hintergrund des offenen Streikendes sei der, dass die GDL nicht wisse, ob sie ihre Mitglieder lang genug mobilisieren könne. Angeblich hätten sich die GDL-Mitglieder bereits gegen einen Zehntagestreik ausgesprochen. Man sieht: Auch in den eigenen Reihen regt sich Unbehagen.





Zitat der Woche



„Wer Bahn fährt, hat das Gefühl, in ein fremdes Räderwerk zu geraten.“

Stephan Grünewald, Leiter des Kölner Marktforschungsinstituts Rheingold





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