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Ausgabe vom 23. September 2014
- Raketenbasis oder Kopiermaschine ? - Wie drei „Aldi-Brüder der Gegenwart“ den Internet-Handel rocken
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Raketenbasis oder Kopiermaschine? -
Wie drei „Aldi-Brüder der Gegenwart“ den Internet-Handel rocken
von Cindy Ullmann
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL Like Follow
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
meine Kollegin Martina Bisdorf hat mir gestern mit Alibaba und dem größten Börsengang der Geschichte eine schöne Vorlage geliefert. Was liegt da näher, als mich heute mit den beiden größten geplanten Börsengängen Deutschlands seit den Zeiten des Neuen Marktes zu beschäftigen. Und interessanterweise kommen diese beiden IPOs aus einem Haus. Es handelt sich um die drei Samwer-Brüder, die mit Zalando und ihrem Internet-Inkubator Rocket Internet den Weg an die Börse suchen.
Ihnen möchte ich die heutige Ausgabe widmen. Denn die Samwer-Brüder passen auch ganz gut in meine Reihe „Investoren-Legenden“. Auch wenn es jetzt vielleicht noch zu früh ist, sie als solche zu bezeichnen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Kinder und Enkelkinder noch von ihnen sprechen werden. Vielleicht nicht immer im positivsten Sinne. Denn die Brüder verletzen oft moralische und ethische Grenzen. Aber wahrscheinlich ist dies Teil ihres Geschäftsmodells.
Die drei Samwer-Brüder – Ein Leben auf der Überholspur
Doch eins ist sicher, das Leben der drei Samwer-Brüder ist eine Geschichte der Superlative. Nicht umsonst zählen Oliver, Marc und Alexander Samwer mittlerweile zu den größten Internet-Unternehmern Deutschlands.
Aufgewachsen sind die Drei in Köln im mondänen Stadtteil Marienburg. Ihr Vater gehört zu den bekanntesten Anwälten Kölns für Presse- und Wettbewerbsrecht. Zu seinen Klienten zählten Heinrich Böll und Karl Carstens. Der Ur-Großvater des Trios gründete in Gotha die Gothaer Versicherung. Die Samwer-Brüder sind also sozusagen Kinder aus gutem Hause, die fast klassisch mit einer fürsorglichen Mutter und einem fordernden Vater aufwuchsen.
Die Familie und bedingungsloses Unternehmertum sind die Standbeine der Samwer-Brüder
Wenn man dem Buch „Die Paten des Internets: Zalando, Jamba, Groupon - wie die Samwer-Brüder das größte Internet-Imperium der Welt aufbauen“, von Joel Kaczmarek Glauben schenken mag, spielt das Unternehmertum schon sehr früh eine entscheidende Rolle im Hause Samwer.
So nimmt der Vater die drei Söhne schon als Kinder jeden Samstag mit in seine Anwaltskanzlei, damit sie ihm beim Öffnen der Geschäftspost helfen. Sie sollen früh erfahren, was es bedeutet, selbstständig zu sein. So lernten die Drei schon in jungen Jahren, dass die Selbstständigkeit nicht immer nur rosig ist. Regelmäßig wird gemeinsam das Handelsblatt studiert, um den Söhnen statt Mickey Mouse und Co., die aktuellen Börsenkurse und die Namen der wichtigsten Unternehmen nahezubringen.
Der Weg war also vorgezeichnet. Wen wundert es da, dass die drei Brüder schon in der Pubertät beschlossen, später ein gemeinsames Unternehmen zu gründen.
Und ihr erster Versuch war gleich ein Volltreffer. Denn der Erfolg des Online-Auktionshauses Ebay faszinierte die Drei und sie gründeten 1999 in Berlin die Plattform alando.de - das deutsche Pendant zu Ebay. Ebay war damals noch nicht im deutschen Markt etabliert und kaufte ihnen die Plattform nach nur 100 Tagen für sage und schreibe 61,2 Mio. Dollar ab. Oliver, Marc und Alexander hatten endgültig Blut geleckt.
Ein Geschäftsmodell war geboren: Copycat
Doch die drei Brüder wollten nicht nur Gründer sein, sondern sich auch an anderen Unternehmen beteiligen. StudiVZ ist hierfür ein gutes Beispiel. 2007 gründeten sie dann den Start-up-Inkubator Rocket Internet, aus dem auch neben vielen anderen Unternehmen das Online-Kaufhaus Zalando entstand.
Die Bilanz der Samwers kann sich sehen lassen, denn innerhalb von 15 Jahren haben die Gründer und Investoren 100 Unternehmen gegründet, mit denen sie in 50 Nationen aktiv sind oder waren. Auch wenn die Unternehmen kaum schwarze Zahlen schreiben, zählt das Trio zu den erfolgreichsten Unternehmern Deutschlands.
Was macht die Samwer-Brüder so überaus erfolgreich?
Ganz einfach, Sie haben ein Kopier-System entwickelt, das Unternehmen sehr schnell erfolgreich werden lässt. Mit hoher Geschwindigkeit und einer immer gleichen Systematik wird einfach alles kopiert, was im Bereich Internet interessant zu sein scheint. Unternehmen entstehen wie am Fließband. Viele nennen dies Methode deshalb auch ganz einfach die „Samwer-Masche: Kopieren und Kassieren“.
Warum geht Rocket Internet jetzt an die Börse?
Der Start-up-Inkubator braucht mehr Kapital, um zu investieren. Denn der Name ist sozusagen Programm: Einer Raketenbasis gleich soll Rocket Internet die neuen Firmen in das Weltall schießen. Firmeninternes Ziel ist es, jedes Jahr zehn neue Start-ups zu gründen. Und dazu benötigt Rocket Internet viel Geld.
„Der Börsengang ist der nächste logische Schritt auf dem Weg zu unserem erklärten Ziel, die weltweit führende Internet-Plattform außerhalb der USA und Chinas zu werden" Oliver Samwer
Rocket Internet plant neue Aktien im Wert von etwa 750 Mio. Euro auszugeben. Wenn die bisherigen Teilhaber ihre Positionen halten, wären dann 5 Mrd. Euro in der Kasse. Das entspricht immerhin einem mittleren DAX-Unternehmen wie beispielsweise Lufthansa.
Und hier kommen zu Recht die Aktionärsschützer auf den Plan. Denn die drei Samwer-Brüder planen ein Listing im Entry-Standard, da hier die Transparenzvorschriften sehr gering sind. Außerdem wird von vielen das Kopiersystem als ethisch verwerflich angesehen. Auch die Mitarbeiter sollen aufgrund von Knebelverträgen und schlechten Arbeitsbedingungen mehr als unzufrieden sein.
Egal was, wir werden sicher noch einiges über die Samwer-Brüder hören. Auch mein Kollege Dieter Wendt, der auf die Hightech-Szene spezialisiert ist, wird diesen Börsengang sehr genau für Sie beobachten. Testen Sie seinen Börsendienst, das 100%-DEPOT, jetzt zum günstigen Kennenlernpreis von 79 Euro (anstatt 199 Euro).
Herzliche Grüße
Ihre
Cindy Ullmann
PS: Schlau oder dreist, was halten Sie von dem Geschäftsgebaren der Samwer-Brüder? Ich bin gespannt auf Ihre Meinung: Einfach eine E-Mail an Martina.Bisdorf@boersenspiegel.com.
PPS: Vielen Dank für einige kritische E-Mails zu meinem Bericht über den Hedgefonds-Manager Daniel Loeb. Einige fanden, dass ich Herrn Loeb zu sehr verherrlicht hätte. Das war nicht meine Absicht. Wenn ich anderer Meinung gewesen wäre, hätte ich nicht geschrieben, dass er zu den fiesesten Investoren an der Wall Street gehört. Auf jeden Fall freue ich mich immer über Ihr Feedback.
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