Börse, Wirtschaft, Lifestyle - Was Anleger & Börsenprofis bewegt
Ausgabe vom 13. August 2014
- Jammern auf hohem Niveau
- Zitat der Woche
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Jammern auf hohem Niveau
von Martina Bisdorf
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL Like Follow
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
eigentlich wollte ich heute mit Ihnen auf der gerade eröffneten Computerspiele-Messe „gamescom“ in Köln vorbeischauen. Sie erinnern sich? Das hatte ich am Montag angekündigt, wenn es sich denn lohnen würde. In Anbetracht einer Headline in einem renommierten und von mir grundsätzlich sehr geschätzten Finanzmagazin, die mich gestern erschüttert hat, habe ich beschlossen, dass es doch derzeit wichtigere Themen gibt. Die Game-Freaks mögen mir das verzeihen.
Die Überschrift also, die es geschafft hat, mich in Zeiten zu berühren, in denen man eigentlich gar nicht anders kann, als sich in Anbetracht der Nachrichtenlage ein „dickes Fell“ zuzulegen, war kurz und bündig: „Vorsicht, Seuchenalarm! – Ebola-Aktien“.
Perversion der Wortschöpfung
Es gibt also Ebola-Aktien! Entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise, aber diese Wortschöpfung empfinde ich als pervers. Da wird jetzt doch, nachdem in Westafrika bereits über 1.000 Menschen der Seuche zum Opfer gefallen sind, darüber nachgedacht, dass es Medikamente gibt, die grundsätzlich eingesetzt werden könnten. Bisher sind diese allerdings noch nicht richtig erforscht und müssten laut Virologen noch durch einige Testreihen gehen, bis sie am Menschen angewandt werden dürften.
Nun, da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) es zwar noch für unwahrscheinlich hält, dass die Ebola-Epidemie nach Europa und Amerika überschwappt, aber doch derartige Befürchtungen unter den Menschen immer lauter werden, sind diese Medikamente für die Pharmaindustrie interessant geworden. Ist da eine neue Lobby in Sicht? Die gab es nämlich bislang für Ebola-Medikamente nicht, da die afrikanische Bevölkerung bis dato weitgehend allein davon betroffen war, was natürlich die Forschung auf diesem Gebiet nicht gerade lukrativ gemacht hat.
We are (only) One World
Ich erinnere mich noch gut daran, wie vor 26 Jahren, als ich gerade meine ersten beruflichen Schritte in der Redaktion einer Hilfsorganisation tat, der Gedanke von „One World“ – also „Eine Welt für alle“ – populär wurde. Mich hat das damals beeindruckt und es ist ja auch heute noch schlüssig, vielleicht schlüssiger denn je. Denn wir leben nun mal alle auf einem Planeten, ob arm oder reich, gesund oder krank. Und wir haben nur diesen einen. (Zumindest augenblicklich, vielleicht fahren Sie oder ich ja bald mit Jeff Bezos ins All, Urlaub machen…)
Damals habe ich unzählige Berichte gelesen und übersetzt, die uns unsere medizinischen Mitarbeiter aus allen Teilen der Erde über ihre Arbeit mit kranken und behinderten Menschen und über den Fortschritt ihrer mühsam aufgebauten Selbsthilfe-Projekte geschickt haben. Noch immer bin ich eine Verfechterin des Gedankens der Hilfe zur Selbsthilfe, wie Sie ja meinem Newsletter vom letzten Mittwoch entnehmen konnten. Und wir haben mit der Hilfe unserer Spender, die von diesem Gedanken ebenfalls angetan waren, wirklich viel erreicht. Die Organisation agiert heute übrigens immer noch weltweit, und das sehr erfolgreich für die Menschen vor Ort. Man möchte sagen, da haben die Spender über die Jahre hinweg gut und gewinnbringend als Investoren ihr Geld angelegt.
Jammern in Krisenzeiten
Das Elend durch Ebola, die Kriege im Nahen Osten, der Ukraine und im Irak mit unglaublichen Flüchtlingsdramen… Wir können all das genauso wenig ignorieren, wie die Märkte und Börsen es tun. Erst gestern hat das ZEW (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) die Konjunkturerwartungen für Deutschland und Europa deutlich gesenkt, was wiederum dem sich gerade aufbäumenden DAX einen Dämpfer versetzt hat. Begründet wurde dies von den befragten Investoren und Analysten mit eben diesen Krisen, insbesondere der Ukraine-Russland-Krise, deren Entwicklung schwer abzuschätzen ist. (Näheres dazu können Sie im heutigen Daily Post auf unserer Homepage www.boersenspiegel.com nachlesen.)
Bei diesen Bildern sollten wir uns als Anleger vor Augen halten, dass wir uns hier mit immer noch relativ starkem Wirtschaftswachstum und vor allem im Frieden in „guten Zeiten“ befinden. Ja, da ist sicher eine gewisse Demut und auch Dankbarkeit angesagt. Ohne allerdings dabei in Pessimismus zu verfallen. Denn dafür gibt es aus wirtschaftlicher Hinsicht wahrlich keinen Grund.
Deutsche Neigung zu Ernst und Sorge
Der aus Funk und Fernsehen bekannte Börsenanalyst Dirk Müller erklärte kürzlich in einem Interview, dass wir Deutsche uns zu „verrückt“ machen würden bei der Geldanlage. Er bekräftigte, dass es bei der Kapitalanlage schließlich nicht um Liebe oder den Tod gehe, sondern nur um Geld. Vielleicht muss man sich das in Anbetracht der aktuellen geopolitischen Lage einfach einmal vor Augen führen, ohne die dabei angesagte Sorgfalt außer Acht zu lassen.
Auch der Börsenexperte Peter E. Huber betont, dass es den deutschen Anlegern gerade bei der Investition in Aktien an der notwendigen Gelassenheit fehle. Seiner Meinung nach denken unsere Landsleute tendenziell langfristig, etwa beim Hauskauf oder bei der Eheschließung. Sobald es aber um die Börse gehe, schauten sie täglich nervös nach den Kursen. Dabei habe der älteste Aktienfonds Deutschlands, der Fondak seit seinem Start im Jahr 1950 knapp 70.000% zugelegt. Und mal ehrlich, ist Ihr Haus, das Sie sich vor einigen Jahrzehnten gekauft haben, vergleichbar im Wert gestiegen? Wohl kaum, meines jedenfalls nicht.
Die Anlage in Aktien ist trotz oder gerade im Anblick all der Krisen, deren Ausgang keiner wirklich vorhersehen kann, alternativlos. Das betonen alle renommierten Analysten, allen voran auch immer wieder mein erfahrener Kollege Jürgen Schmitt (Chefredakteur BÖRSEN-SPIEGEL), der mit mir einig ist, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes auf hohem Niveau jammern, wenn man sich die Entwicklung der Aktienindizes über die letzten Jahre hinweg anschaut.
Es grüßt Sie herzlich und kritisch zur Wochenmitte
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Laut Experten sollten den Deutschen Aktien als Anlageform, vor der sie immer noch stark zurückscheuen, besser ins Bewusstsein gebracht werden. So verlangt der Börsenanalyst Dirk Müller, dass in den Schulen gelehrt werden müsse, dass Aktien-Kapitalismus die Grundlage unseres Wohlstands sei.
Zitat der Woche
„Geld soll dienen, nicht regieren!“
Papst Franziskus
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