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Ausgabe vom 19. März 2014
- Die Welt in den Händen von Spekulanten?
- Zitat der Woche
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Die Welt in den Händen
von Spekulanten?
von Martina Bisdorf
Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL Like Follow
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
bevor ich in die Welt der Spekulanten einsteige, will ich Ihnen eine kurze Skizze zur aktuellen Lage in der Krim-Krise zeichnen, die die Welt weiter in Atem hält: Die ersten Schüsse sind in Simferopol gefallen. Nach jüngsten Medienberichten gab es gestern bei dem Sturm russischer Einheiten auf eine ukrainische Kaserne zwei Tote, tragischerweise auf jeder Seite einen. Und das, während in Moskau die Massen ausgelassen die Aufnahme der Krim in die „russische Heimat“ feierten. Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk sprach davon, dass der politische Konflikt nun auf militärischer Ebene angekommen sei.
Aktuelle geopolitische Situation besorgniserregend
Im gestrigen Telefonat mit Angela Merkel bekräftige US-Präsident Obama, dass die Weltöffentlichkeit die Eingliederung der Halbinsel Krim zu Russland keinesfalls anerkenne und nun der Weg für schärfere Sanktionen frei sei. Beide setzen weiter auf die Diplomatie, auch wenn Barack Obama der Ukraine militärische Unterstützung, zunächst in Form von Waffenlieferungen, für den Ernstfall zugesagt hat…
Pünktlich also zum vorläufigen Höhepunkt der Ukraine- und damit auch Europa-Krise bringt der amerikanische Großinvestor und Spekulant George Soros sein neues Buch „Wetten auf Europa“ auf den Markt. Das Buch (erschienen am 24. Februar) besteht im Wesentlichen aus langen Interviews mit Spiegel-Redakteur Peter Gregor Schmitz und wettet, wie es scheint, nicht nur auf Europa, sondern rechnet mit Deutschland im Besonderen ab. Aber darauf komme ich später noch einmal zu sprechen.
Des einen Freud, des ander´n Leid
Den Anlass für mich, etwas über die Sichtweise der Spekulanten auf die Weltwirtschaft zu schreiben, hat mir allerdings der Russland-Deal unseres heimischen Energieversorgers RWE gegeben. Sie haben es in den Nachrichten gehört oder gestern bei uns im Daily Post gelesen: RWE hat seine Gas- und Ölförder-Tochter Dea – aus Geldnot durch die massiven roten Zahlen 2013 - an den russischen Großinvestor Michail Fridman verkauft. Laut dem Online-Finanzportal Finanznachrichten.de steht dieser nämlich mit seinem Industrie- und Finanzkonzern Alfa Group hinter der in Luxemburg ansässigen Investmentfirma LetterOne, dem offiziellen Käufer.
RWE-Chef Peter Terium begrüßte die Auswahl des Käufers: „Die Pläne, RWE Dea als Plattform für die künftigen Öl- und Gasaktivitäten der Gruppe auszubauen, stärken die Rolle von Dea als zuverlässiger deutscher Öl- und Gasproduzent mit stärkeren internationalen Wachstumsaussichten als bisher.“ Eine gewagte Aussage angesichts der momentanen geopolitischen Krisen-Situation.
Süddeutsche Zeitung macht auf:
„RWE-Deal verschärft Abhängigkeit von Russland“
Bei den schwelenden Tumulten in der Ost-Ukraine und so drastischen Aussagen aus dem russischen Fernsehen wie die eines dort bekannten Nachrichtensprechers am Sonntagabend: „Russland ist in der Lage, mit Hilfe seiner atomaren Waffen die USA auszulöschen,“ kann man momentan wohl im wahrsten Sinne des Wortes „dem Frieden nicht trauen“. Jedenfalls scheint es, als habe hier nicht politisches Kalkül, sondern das höchste Gebot gesprochen. Aus unternehmerischer Sicht nicht verwerflich.
Der zweitreichste russische Oligarch Fridman gilt in der Finanzwelt als intelligent, aggressiv, knallhart kalkulierend. Als internationaler Investor eilt ihm der Ruf voraus, zuzuschlagen, wenn keiner mehr mit ihm rechnet. Seine ersten Rubel verdiente der Milliardär mit einer Fensterputzfirma, später mit Computer- und Teppichhandel. Inzwischen hat er sich auf eine andere Branche verlegt, die noch mehr Geschäft verspricht: Den Öl- und Gassektor. Was für ihn außerdem noch hinter dem Milliarden-Deal (Kaufpreis: rund 5 Mrd. Euro) steht, mag dahingestellt sein.
Amerikanisch-Ungarische Investorenlegende
Nun zurück zu George Soros. Der 83-jährige US-amerikanische Investor gilt als Schöngeist und knallharter Kapitalist zugleich – ein Zwiespalt in sich. Er wurde als Jude in Ungarn geboren und überlebte den Holocaust sowie die deutsche Besetzung seiner Heimatstadt Budapest, die harten Kämpfen ausgesetzt war. Heute ist er Betreuer vieler Fonds, unter anderem des Quantum Funds, den er zusammen mit „Rohstoff-Guru“ Jim Rogers gründete. Sein derzeitiges Vermögen wird vom Forbes Magazin in der Liste der Milliardäre auf 22,9 Mrd. Dollar geschätzt.
Bekannt wurde er, als er 1992 auf die Abwertung des britischen Pfunds wettete, am Ende damit rund 1 Mrd. Dollar verdiente und den Mythos der britischen Zentralbank zerstörte. 1988 erzielte Soros mit dem Kauf und Verkauf von Aktienpaketen der französischen Großbank Société Générale rund 2,2 Mio. Dollar Spekulationsgewinn. 2006 wurde er von einem französischen Gericht in letzter Instanz für schuldig befunden, von vertraulichen Informationen profitiert zu haben, und wegen Insiderhandels zu einer Geldstrafe in Höhe seines mutmaßlichen Gewinns verurteilt.
Zocken auf Europa – Oder Abrechnung mit Deutschland?
In seinem neuen Buch „Wetten auf Europa - Warum Deutschland den Euro retten muss, um sich selbst zu retten“ rechnet er vor allem mit Angela Merkel und der deutschen Finanz- und Außenpolitik ab. Laut einem Bericht der Tagesschau wirft er Merkel vor, am Ausbruch der Euro-Krise Schuld zu sein, da sie das Aufkommen für die Schulden der südeuropäischen Krisenländer zunächst abgelehnt habe.
Seiner Ansicht nach müsste Deutschland als wirtschaftsstärkster EU-Staat die schwächeren Nachbarn stützen. Das habe aber erst – viel zu spät – die EZB mit dem Aufkauf von Staatsanleihen getan. Soros geht sogar so weit zu behaupten, dass das zu den jetzigen politischen Krisen geführt habe. Europa müsse zu einem „Hegemon“ werden, geschultert von Deutschland. Das sieht nach ganz schön viel Last für uns aus.
Ich gebe zu, ich habe das Buch nicht ganz gelesen, aber bei den Interviews und Buchbesprechungen, die ich in verschiedenen Medien verfolgt habe, werde ich den Eindruck nicht los, dass es sich hier auch ein Stück weit um das Aufarbeiten der eigenen Geschichte handelt. Das steht jedem frei und steckt hinter den meisten Büchern. Wie sagte der verstorbene Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, den ich übrigens sehr verehre und schätze: „Jedes Buch ist immer ein Stück Autobiographie.“
Jedenfalls ist es unumstritten, dass Spekulanten und Investoren durch ihre wirtschaftliche Machtstellung auch einen großen Einfluss auf die politische Welt haben. Leider wurde der in der Vergangenheit nicht immer nur zum Positiven genutzt, wie es mit den meisten Dingen ist. Wir werden sehen, wie viel Einfluss derartige Bücher und vor allem Deals in Zukunft haben und vor allem, in welche Richtung.
Kann man von Spekulanten lernen – und wenn ja, was?
Die Frage ist, in wie weit man den Ratschlägen von Spekulanten folgen sollte, in deren Naturell es nun mal liegt, ein wenig „vereinnahmend“ zu sein. Aus Kreisen um Angela Merkel ist als Reaktion auf Soros´ Buch jedenfalls vorgedrungen, dass man sich wohl kaum von Spekulanten beraten lasse. Vielleicht kann man das noch im Bezug auf die Entscheidungen für die eigene Geldanlage. So war gestern in dem renommierten Börsenmagazin Der Aktionär über Altmeister Warren Buffett zu lesen, dass sein Geheimnis unter anderem darin bestehe, nur in Unternehmen zu investieren, deren Geschäftsmodell er verstehe und deren Umfeld er einzuschätzen vermöge.
Der Erfolg gibt ihm Recht: Seine Holding-Gesellschaft Berkshire Hathaway, deren Aktivitäten sich über eine Vielzahl von Geschäftsfeldern erstreckt, darunter vor allem Erst- und Rückversicherung, gehört durch ihre konstant hohe Ertragskraft und die großen Finanzreserven weltweit zu einem der führenden Rückversicherer und einem der wenigen Unternehmen mit höchster Bonitätsstufe.
Seriosität, Nachhaltigkeit und Kontinuität punkten unter dem Strich
Hier darf man schon von Seriosität und vor allem Nachhaltigkeit sprechen. Die Lehre daraus ist dann wohl auf „gut deutsch“: „Schuster bleib bei deinen Leisten,“ was im Umkehrschluss nicht bedeuten soll, dass man bei der Geldanlage etwa nur konservativ denken muss und immer noch auf das gute alte Sparbuch schwört, wo das hart verdiente Geld verdunstet. Sondern es ist hier angesagt, auf ausgebildete Spezialisten für die Geldanlage zu vertrauen, wie es Ihnen meine Kollegin Cindy Ullmann gestern schon geraten hat.
Wir von der Redaktion BÖRSEN-SPIEGEL leisten unseren Beitrag dazu seit 15 Jahren mit unseren Publikationen. Dafür stehen unsere Chefredakteure und erfahrenen Finanz- und Börsenexperten Jürgen Schmitt, Cliff Michel und Dieter Wendt mit ihrem Redaktionsteam, was unsere vielen treuen Leser schon über all die lange Zeit zu schätzen wissen.
Es grüßt Sie herzlich und kritisch zur Wochenmitte
Ihre
Martina Bisdorf
PS: Was Sie über George Soros´ Buch und über Spekulanten im Allgemeinen denken, interessiert mich unter Martina.Bisdorf@boersenspiegel.com.
Zitat der Woche:
„China sträubt sich, Verantwortung für die Welt zu übernehmen, Deutschland sträubt sich, Verantwortung für Europa zu übernehmen.“
George Soros
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